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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita R. Naumann
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während die anderen in den sicheren Schoß ihrer Familien zurückkehrten.

    Elftes Kapitel

    Heute empfinde ich eine große Bitterkeit darüber, dass die Polizei mich im Stich ließ. Natürlich verstehe ich, dass die angespannte Finanz- und Personallage ihr die Arbeit zusehends erschwerte. Doch einen gefährdeten Menschen in falscher Sicherheit zu wiegen, um ihm dann plötzlich den Teppich unter den Füßen wegzuziehen, ist durch nichts zu rechtfertigen.
    Die Tage vergingen rasch, während der Prozess näher rückte. Er sollte im Amtsgericht von München hinter verschlossenen Türen stattfinden, da man die Sicherheit von mir und den Zeugen nicht aufs Spiel setzen wollte. Vielleicht stellen Sie sich jetzt vor, dass ich auf meinem Weg nach München von Polizisten eskortiert wurde, die kugelsichere Westen trugen und mir ermunternd auf die Schultern klopften. Doch die Polizei hatte mir bereits den Rücken zugekehrt. Ich wusste, dass sie meine und Matis Wohnung eine Zeit lang observiert hatten, um Aufschlüsse über den Waffen- und Drogenhandel zu bekommen, in den Mati verstrickt war. Doch fanden sie wohl keine handfesten Beweise und setzten daher ganz darauf, dass ich als Kronzeugin fungieren würde. Als ihnen jedoch klar wurde, dass ich ihnen keine Hilfe war, erlosch ihr Interesse an mir. Sie vergaßen ihre Versprechen und ließen David und mich allein. Plötzlich war ich wieder ganz auf mich allein gestellt. Die Polizei machte die Beratungsstelle dafür verantwortlich, die auf das Sozialamt verwies, das wiederum der Polizei die Verantwortung zuschob. Und die zuckte bloß mit den Schultern. Wenn ich anrief, waren die betreffenden Beamten gerade beim Mittagessen oder anderweitig beschäftigt. Meinem Anwalt habe ich es zu verdanken, dass ich in den Tagen vor der gefürchteten Verhandlung eine Bleibe in München fand. Ich wohnte in seinem kleinen Gästehaus.
    Meine persönliche Habe wurde mir sogleich hinterhergeschickt, denn die Leitung der Frauenberatungsstelle hatte nach langen Diskussionen entschieden, dass ich nicht nach Passau zurückkehren sollte. Der Vorfall mit der Bombe hatte die Leitung aufgeschreckt. Seitdem sah sie mich als Risikofaktor und wollte ihr Personal und deren Familien nicht einer unnötigen Gefahr aussetzen. Man darf nicht vergessen, dass die meisten Mitarbeiterinnen ehrenamtlich tätig waren und etwas Ähnliches vermutlich noch nie erlebt hatten. Was David und ich durchlitten , hatten, machte ihnen einfach Angst.
    Am Vortag des Prozesses holte mich Mona bei meinem Rechtsanwalt ab und fuhr mich zu einer weiteren Zweigstelle der Frauenberatung. Ich hatte die letzte Nacht vor dem Prozess nicht mehr im Gästehaus des Anwalts verbracht, weil eine gewisse Gefahr bestand, dass er beschattet wurde. Und die Polizei hatte uns mitgeteilt, dass absolut kein Wagen zur Verfügung stehe, der mich zum Gerichtsgebäude fahren könnte. Vielleicht, so hatten sie hinzugefügt, könne man allenfalls Mona zwischenzeitlich entbehren, damit sie sich vor dem Eingang des Gerichtssaals platzierte und die Sicherheit der Zeugen gewährleistete. Was war mit all den anderen Beamten an diesem Tag? Saßen die gemütlich in der Cafeteria und warteten das Ende des Prozesses ab? Vielleicht fürchteten die lokalen Einsatzkräfte, dass eine direkte Konfrontation mit Mati sie später teuer zu stehen kommen könnte. Eine Antwort auf diese Fragen werde ich nie erhalten.
    Die Verhandlung war furchtbar, doch was die Sache für mich ein wenig erleichterte, war die Tatsache, dass Mati und ich uns im Gerichtssaal nicht begegneten. Als ich und meine vier Zeugen, Melanie, Hannes, Mama und Gabriel aussagen sollten, wurde Mati vorher aus dem Saal gebracht. Ich war so nervös, dass sich meine Kiefermuskeln verkrampften und ich auf der Lippe herum biss. Ich versuchte auf alle Fragen so klar wie möglich zu antworten, doch hatte ich große Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden.
    Vor Aufregung zerpflückte ich das Papiertaschentuch in meiner Hand in winzige Teile.
    „Sprechen Sie bitte lauter!“, forderte man mich auf.
    „Sie meinen also, der Mülleimer sei voller Abfall gewesen, als er nach Ihnen geworfen wurde?“, fragte Matis Anwalt.
    „Ja ...“, antwortete ich.
    „Sprechen Sie lauter!“
    Der Richter blickte auf und schob seine Brille die Nase hinauf, die Farbe und Form einer Erdbeere hatte. Dann räusperte er sich und fragte mit leiser und ein wenig röchelnder Stimme, welche Verletzungen die schmerzhaftesten gewesen seien. Ich

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