Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
glaubte Stimmen vor meinem Fenster zu hören und bildete mir ein, dass finstere Gestalten auf ihren Harleys an meiner Wohnung vorbeibrausten. Obwohl ich mich zwang, die Augen offen zu halten, sah ich, dass Mati mit einer Zigarette in einer Ecke meines Zimmers stand, höhnisch lächelte und Lungenzüge machte. Als der Rauch in seiner Lunge verschwand, wurden seine Augen zu Feuerbällen, seine Hände waren mit Blut bedeckt. Ich drückte mich an die Wand und verbarg das Gesicht in den Händen. Als ich ihn wieder ansah, schien sein Körper immer größer zu werden und jeden Moment platzen zu wollen. Die Adern an seinem Hals schwollen an, bis sich sein nackter Oberkörper plötzlich auflöste und sich in Hunderte giftiger Schlangen verwandelte. Mit ihren boshaften grünen Augen glitten sie über seine Arme und Beine, schlängelten sich über den Fußboden und hatten im nächsten Moment mein Bett erreicht. Sie schlugen ihre Zähne in jeden Zentimeter meiner nackten Haut. Ich schrie, doch mein Schreien wurde von Matis Lachen übertönt. Ich schrie und schrie - und wachte auf.
Ich fand mich selbst zitternd und schweißnass am Fußende des Betts vor. Dort hatte ich mich in Embryonalstellung zusammengerollt.
David stand schreiend in seinem Gitterbett. Ich wusste nicht, ob ich wach war oder träumte. Ich rieb mir die Augen, wischte mir die nassen Haare aus der Stirn und nahm meinen weinenden Sohn auf den Arm, der mir im Dunkeln seine rundlichen Arme entgegenstreckte.
„Hab keine Angst“, sagte ich sanft. „Mama ist bei dir, mein kleiner Schatz. Mama ist ja da. Mama hat nur schlecht geträumt, pst ...“ Ich wiegte David in Schlaf, legte ihn neben mir ins Bett und schmiegte mich an seinen kleinen Körper. Ich liebte ihn so unendlich ...
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, hatte ich das Gefühl, um zwanzig Jahre gealtert zu sein. Aus meinem Gesicht war jede Farbe gewichen, dafür hatte ich in den Armbeugen und am Hals einen roten Ausschlag bekommen. Er juckte so sehr, dass ich mir am liebsten mit Stahlwolle die Haut abgerieben hätte. Ich hatte keine Freude mehr an der neuen Wohnung bei Ari - nichts schien mir mehr wichtig zu sein. David war unruhig und jammerte vor sich hin, weil er spürte, dass an diesem Morgen alles anders war. Nach dem Frühstück spielten wir nicht mit seinen Autos und spazierten auch nicht wie üblich zum Spielplatz. Stattdessen saßen wir nun im Fernsehzimmer des Wohnzimmers auf dem Sofa und warteten auf die Polizei. Ich fummelte nervös an den Fransen der Decke herum, die auf dem Tisch lag. Das war eine Möglichkeit, meine Hände zu beschäftigen, damit ich mir die Nägel nicht noch mehr abkaute.
Ari war zur Arbeit gefahren, sagte aber, dass er früher zurückkäme. Er würde sich krankmelden, um bei mir zu sein.
Ich wartete, aber Ari kam nicht. Dafür kam ein Spezialist von der Polizei. Ein männlicher Experte, der sich mit Gewalt gegen Frauen beschäftigte. Mona hatte schon von ihm erzählt. Er hieß Johannes, war mittleren Alters und hatte irgendeinen hohen Posten aufgegeben, um sich um etwas zu kümmern, was ihm wirklich am Herzen lag. Johannes stand in direktem Kontakt zu misshandelten, verfolgten Frauen.
Rund um die Uhr kümmerte er sich um all die Probleme, die ihre Situation mit sich bringen konnte. Er war der Retter in der Not und die rechte Hand des Gesetzes. Die Münchner Polizei brauchte von mir mehr Informationen als diejenigen, die sie in aller Eile von Mona am Telefon bekommen hatten. Sie wollte sich selbst ein Bild von meinem Gefährdungspotenzial machen.
Ich bat ihn ins Wohnzimmer. Johannes hatte sich bislang um rund vierhundert misshandelte Frauen gekümmert und sagte gleich in breitem Oberpfälzer Dialekt, dass er sich für eine Sache engagiere, die leider kaum jemand bei der Polizei für wichtig halte, was natürlich ein großer Fehler sei.
Wir besprachen die Möglichkeiten, die uns in der jetzigen Situation blieben. Da ein weiterer Umzug zu riskant sei, sollte ich nicht mehr aus dem Haus gehen und alle Türen und Fenster geschlossen halten. Falls ich doch irgendwann das Haus verlassen müsse, dürfe ich das nicht ohne Begleitperson tun. Wenn irgendwas nicht in Ordnung sei, könne ich ihn Tag und Nacht über sein Handy erreichen. Es war ein gutes Gefühl, eine neue Mona an meiner Seite zu wissen. Ich hatte das verzweifelte Bedürfnis, zu spüren, dass sich jemand um mich kümmerte und mich beschützte. Am nächsten Tag erreichte ich Mona, die mir erzählte, dass sie
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