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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita R. Naumann
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war fröhlich und ausgelassen, und noch fröhlicher wurde er, als er auf der Toilette zwei lautstarke Papageien entdeckte.
    „Wie dünn du geworden bist, Luisa!“, sagte Ari zu mir. „Wie schaffst du es überhaupt noch, David auf den Arm zu nehmen?“
    Ich starrte in meine Kaffeetasse und antwortete nicht. Ich durfte mir selbst nichts vormachen. Ich wog nur noch so wenig, dass Jeans in Größe 24 schlaff an meinen Beinen herunterhingen und ich nicht mehr ohne Kissen auf einem Stuhl sitzen konnte. Ich bemühte mich, so gut es ging zu essen, doch die Nahrung klumpte sich noch immer in meinem Hals zusammen, und manchmal musste ich rasch auf die Toilette laufen und mich übergeben.
    „Ich verspreche dir, Ari, dass ich wieder mehr essen werde, wenn sich alles ein bisschen beruhigt hat.“ Er umarmte mich seufzend.
    Die Tage vergingen wie im Flug. Ari nahm David auf lange Spaziergänge mit. Ich selbst hatte zu große Angst, um aus dem Haus zu gehen, und war immer noch unglaublich erleichtert darüber, in einer richtigen Wohnung zu leben. Am liebsten wäre ich nie wieder ausgezogen.
    Ari hatte eine gute Arbeitsstelle in einem Autowerk in München und bezog ein gutes Gehalt. Er meinte, dass er uns durchaus ernähre, könne, aber ich wollte nicht zu Hause herumsitzen und begann, Stellenanzeigen zu lesen.
    Ari meinte, dass es nicht gut sei, wenn ich in einer Firma arbeiten würde, ich sollte lieber von zu Hause aus arbeiten. Außerdem könnte ich mich dann auch mehr um David kümmern. Ich fand, dass das eine gute Idee war, und begann im Internet nach einer Heimarbeit von zu Hause an zu recherchieren. Aber ich fand nichts Passendes, das meiste waren Scheinfirmen, die nur darauf aus waren, zu betrügen.
    Eines Tages kam Ari mit einer guten Nachricht nach Hause. Seine Firma vergab Schreibarbeit in Heimarbeit. Er hatte schon mit dem Chef gesprochen und einen Vertrag aufsetzen lassen.
    Ich las den Vertrag durch und unterschrieb. So hatte ich endlich Arbeit und verdiente nicht schlecht dabei.
    David liebte Ari und Ari liebte David. Er spielte mit ihm Fußball und viele Ballspiele, die ich gar nicht kannte. Und nach und nach begann er, estnisch mit David zu sprechen und David lernte schnell. So wuchs der Junge zweisprachig auf, was ich gut fand. Schließlich kam ein Teil von Davids Wurzeln aus Estland.
    Ich hatte Sehnsucht nach meinen Eltern, aber ich traute mich nicht, sie zu kontaktieren.
    Während der Verhandlung hatte ich meinen lieben Stiefvater kurz umarmen können, doch da meine Eltern große Gefahr liefen, abgehört oder beschattet zu werden, war es besser, wenn wir den persönlichen Kontakt vermieden.
    Es war undenkbar für mich, meine Mutter mit dem Wissen um meinen Aufenthaltsort zu belasten. Falls ihr jemand eines Tages ein Messer an die Kehle hielt, sollte sie keine Schuld darüber empfinden, wenn sie meine Adresse preisgab.
    Doch Gabriel, der alte Fuchs, war ein ruhiger, ausgeglichener und verschwiegener älterer Herr mit einer samtigen, tiefen Stimme. Er sprach nicht viel, doch wenn er etwas sagte, war immer etwas Wahres daran, etwas, das einem zu denken gab. Wenn er und Mama auf ihren Missionsreisen durch Ruanda, Kambodscha oder Mosambik fuhren und die anderen panische Angst vor Heckenschützen und der Guerilla hatten, sagte Gabriel in aller Ruhe: „Ihr braucht keine Angst zu haben. Wir sind hier, um zu helfen. Unser Leben liegt in Gottes Hand, und wenn wir sterben, ist das Himmelreich nah.“
    Wenn es also jemand gab, der sich vollkommen gleichmütig ohne viel Aufhebens ins Auto setzen und mich irgendwohin fahren würde, dann war es er. Ich wollte es nicht riskieren, bei ihnen zu Hause anzurufen, sondern wartete ab, bis es halb neun war, und er in seinem Büro war.
    „Hallo, ich suche Gabriel Wengerle. Mein Name ist Josefa Moosbauer“, sagte ich mit breitem österreichischem Akzent. Nicht einmal die Frau am Empfang sollte auf die Idee kommen, dass sie mit mir sprach.
    „Einen Augenblick“, sagte sie.
    Ich wartete geduldig.
    „Wengerle.“
    „Hallo, hier ist Luisa.“
    „Ja, aber meine Kleine ... wie geht's dir denn? Wir versuchen jeden Tag, Mona zu erreichen, um uns zu versichern, dass es dir gut geht.
    Wir beten für dich. Du bist immer in unseren Gedanken. Weiß Mona, dass du hier anrufst? Ist etwas passiert?“, fragte Gabriel mit seiner ruhigen Stimme.
    „Ich lebe jetzt in Taufkirchen“, antwortete ich. „Könnt ihr mich nicht besuchen, Mama und du?“
    „Aber natürlich können wir das, meine

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