Wenn die Sterne verlöschen
bist, Jonas. Offenbar bist du weit ab von dem, was du tust. Setz deine Karriere nicht aufs Spiel, nur weil du neugierig auf etwas bist, was mit deinem Auftrag nichts zu tun hat und dich auch nichts angeht. Du verstehst?«
Foster nickte, hörte aber kaum hin. Er dachte angestrengt nach.
Eine ganze Woche später bewegte Ralph Nimmo seine rundliche Figur vorsichtig in Jonas Fosters Zweizimmerwohnung, die auf dem Campus lag, und wisperte heiser: »Ich hab' was.«
»Was?« Foster war sofort gespannt.
»Ein Exemplar von Sterbinski und LaMarr.« Er zog es hervor, ließ vielmehr unter seinem weiten Mantel ein kleines Eckchen blicken.
Foster sah fast automatisch auf Tür und Fenster, ob sie geschlossen, beziehungsweise die Rollos herabgelassen waren, und streckte dann die Hand aus.
Die Filmschachtel war vor Alter rissig, und als er sie aufklappte, war der Film verblaßt und spröd geworden. Er sagte hart: »Ist das alles?«
»Wo bleibt die Dankbarkeit, mein Junge?« Nimmo setzte sich brummend und zog aus einer Tasche einen Apfel hervor.
»Ach, ich bin dir dankbar, aber er ist so alt.«
»Dabei kannst du von Glück reden. Ich wollte mir einen Film aus der Kongreßbibliothek zeigen lassen. Unmöglich: Das Buch ist nur für den Dienstgebrauch.«
»Und wie bist du an den hier gekommen?«
»Hab' ihn gestohlen.« Er biß sich knackend zum Kerngehäuse durch. »Öffentliche Bibliothek, New York.«
»Was?«
»War einfach. Ich hatte natürlich Zugang zum Hauptmagazin. Als niemand in der Nähe war, stieg ich über eine Absperrkette, trieb das hier auf und spazierte damit davon. Die werden nach Jahren den Verlust noch nicht bemerkt haben ... Nur, mein lieber Neffe, läßt du das besser keinen bei dir sehen.«
Foster starrte auf den Film, als sei er buchstäblich zu heiß zum Anfassen.
Nimmo ließ das Kerngehäuse fallen und griff nach einem zweiten Apfel. »Wirklich komisch. Auf dem ganzen Gebiet der Neutrinik gibt es keine neuere Veröffentlichung. Keine Monographie, keinen Aufsatz, keinen Forschungsbericht. Seit dem Chronoskop nichts mehr.«
»Mhm«, sagte Foster abwesend.
Foster arbeitete abends im Haus der Potterleys. In seinen Zimmern auf dem Campus fühlte er sich nicht sicher. Diese abendliche Arbeit wurde ihm wichtiger als die Erstellung seines Antrags auf Zuschuß. Manchmal bekümmerte ihn es, aber das legte sich auch.
Am Anfang bestand seine Arbeit nur darin, sich den Film des Textes immer wieder anzusehen. Später bestand sie in Nachdenken, während manchmal ein Teil des Buches unbeachtet durch den Taschenprojektor lief.
Manchmal kam Potterley zu ihm hinunter und sah ihm zu, saß mit starren, ungeduldigen Augen neben ihm, als erwarte er, die Gedankenarbeit werde feste Formen annehmen und in all ihren Windungen sichtbar werden. Er mischte sich nur in zweierlei Hinsicht ein. Er untersagte Foster das Rauchen, und manchmal redete er.
Es ging dabei nicht um ein Gespräch. Es war eher ein leiser Monolog, bei dem er anscheinend kaum die Erwartung hegte, er werde damit Aufmerksamkeit erregen. Es war vielmehr so, als wolle er so innere Spannungen loswerden.
Karthago! Immer Karthago!
Karthago, das New York des Mittelmeers der Antike. Karthago, Reich des Handels und Königin der Meere. Karthago alles das, was Syracus und Alexandria vorgaben zu sein. Karthago, von seinen Feinden verleumdet und keine Verteidigung vorbringend.
Es war einmal von Rom zerstört worden, von Sizilien und Sardinien vertrieben worden, wurde aber durch neue Besitzungen in Spanien mehr als entschädigt und brachte Hannibal hervor, der sechzehn Jahre lang der Schrecken der Römer war.
Schließlich verlor es ein zweites Mal, söhnte sich mit seinem Schicksal aus und baute sich mit zerbrochenem Werkzeug auf geschrumpftem Herrschaftsgebiet ein neues Leben auf, hatte dabei soviel Erfolg, daß das neidische Rom einen dritten Krieg vom Zaune brach. Und Karthago, das nichts als seine nackten Hände und seine Beharrlichkeit hatte, baute Waffen und zwang Rom einen zweijährigen Krieg auf, der erst mit der völligen Zerstörung der Stadt endete, wobei sich die Einwohner lieber in ihre brennenden Häuser stürzten, als sich den Römern zu ergeben.
»Konnten die Leute so für eine Stadt und eine Lebensart kämpfen, die den antiken Schriftstellern nach nur schlecht gewesen waren? Hannibal war ein besserer Heerführer als irgendeiner der Römer, und seine Soldaten waren ihm absolut treu ergeben. Selbst seine bittersten Feinde priesen ihn. Ein
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