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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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nichts mehr ändern. Also kümmerte Marc sich lieber um seine Tochter. Er wählte eine Stelle , an der es zwar bergab ging, aber gleich darauf folgte wieder eine Steigung, die dann Leonies Fahrt bremsen würde, wenn sie nicht sowieso vorher schon hinfiel. Vor Freude kichernd liess sich Leonie alles gefallen.
    „So , mein Schatz, jetzt stellst du dich so hin“, Marc setzte seine eigenen Füsse so in den Schnee, dass die grossen Zehen gegeneinander zeigten, „und wenn es anfängt zu rutschen, dann versuchst du einfach geradeaus zu fahren und solange stehen zu bleiben, wie ’ s eben geht. Du musst dir keine Sorgen darum machen, wie du anhältst, denn du fährst hier hinunter und dort drüben wieder hinauf, dann hältst du sowieso ganz von alleine an. Okay?“ Während er Leonie in die Bindung der winzigen Skier steckte, ermahnte er sie noch, keine Angst zu haben, schliesslich wäre er in der Nähe und liesse sie nicht aus den Augen. Begeistert tat Leonie wie geheissen. Sie formte mit den Skispitzen ein V und jubelte , als sie zu rutschen begann. In ihrer Begeisterung vergass sie komplett, was ihr Vater über das Anhalten und den Hügel vor ihr gesagt hatte. Kichernd fuhr sie einfach dort hin, wohin die Ski sie leiteten. Als Marc langsam eine Ahnung davon bekam, dass sein guter Plan scheiterte, war es schon beinahe zu spät. Er schrie lauthals nach Leonie und mahnte sie, sich hinfallen zu lassen. Doch Leonie tat nichts dergleichen. Stat tdessen fuhr sie einfach weiter - i n einer sauberen Rechtskurve an der Anhöhe vorbei, direkt auf die offene Skipiste zu.
    Marc bekam es mit der Angst zu tun. Ein Blick zu Verena reichte aus, um festzustellen, dass er auf sich alleine gestellt war. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie bemerkt hatte, was geschah.
    Während er kurz abwog , ob er besser seine Ski holen sollte, die neben der Terrasse des Bergrestaurants bei Verena lagen, oder ob er sein Glück mit Rennen versuchen sollte, hatten seine Füsse das Kommando bereits übernommen. So schnell es mit den Skischuhen eben ging , stolperte Marc los. Zwischen den Leuten hindurch die Piste hinunter, immer laut nach seiner Tochter rufend. Da Leonie die Kante des Sichtbaren bereits hinter sich gelassen hatte, musste Marc zuerst zwischen den anderen Wintersportlern nach ihr suchen. Die Piste war nicht überfüllt , so dass er Leonie zwar schnell fand, aber auch niemand in der Nähe war, um sie absichtlich oder auch unabsichtlich aufzuhalten. Immer weiter und immer schneller fuhr sie den Berg hinunter. Zu Marcs Erstaunen schien sie aber keine Angst zu haben. Er s tufte diese Tatsache aber eher als negativ ein, denn hätte sie Angst gehabt, hätte sie sich wohl fallen lassen. Während sich seine Gedanken im Kreis drehten, rannte er immer weiter. Immer wieder stürzte er beinahe vorn über und konnte sich jeweils nur knapp auffangen, aber es war ihm egal. Beim nächsten Blick auf Leonie meinte er, seine Herz höre zu schlagen auf. Sie hatte eine Kurve verpasst und schlidderte direkt auf die Tannen am Rande der Piste zu. „Oh mein Gott, mach, dass ihr nichts passiert!“ Marc setzte noch einmal an, nach Leonie zu rufen, doch ihm versagte die Stimme. Er konnte nur noch mit ansehen , wie seine Kleine hinter der Kuppe im Wald verschwand.
     
     

2010
     
    Müde, aber zufrieden liess sich Leonie in ihr Bett fallen. Es war bereits sechs Uhr morgens , dennoch konnte sie n icht den ganzen Tag verschlafen. Denn ob sie nun wollte oder nicht, der gebuchte Skikurs begann heute. So klingelte dann auch wenige Stunden später der Wecker. Obwohl ihr Körper sie drängte, noch etwas liegen zu bleiben, rollte sich Leonie fluchend aus dem Bett. Ihr langes zerzaustes Haar versuchte sie mit einer Bürste und einem Haargummi zu bändigen, was schliesslich den Blick auf ihre geschwollenen Augen freigab. Erschreckt von ihrem Spiegelbild beschloss sie, sich die Müdigkeit wegzuschminken.
    Eine knappe Stunde später hatte Leonie sich dann wagemutig dem Lärm von klappernden Stöcken und polternden Skischuhen a ngeschlossen und in der Gondel P latz genommen. Oben angekommen trat sie aus der Station, streckte als erstes ihre Nase der Sonne entgegen und atmete tief die frische Bergluft ein. Dann trat sie selbstbewusst zu der kleinen Hütte, zu der sie vor einigen Tagen, als sie die Stunden gebucht hatte , bestellt worden war . Während sie wartete, sah sie sich um und beobachtete einzelne Skifahrer. Neidisch beäugte sie einige Kinder, die nach ihrem

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