Wenn die Wahrheit nicht ruht
und deine ungezähmte Mähne, die meiner Meinung nach kaum den Namen Frisur verdient hat, mögen vielleicht auf so Manche animalisch wild und verspielt wirken, aber ich stehe nicht auf diesen verwegenen Naturburschenlook. Meiner Meinung nach ähnelt dein Körperbau dem eines Bergsteigers. Nach Schutz und Geborgenheit suchende Mädels wären bestimmt glücklich, wenn sie ihren Kopf an deine Brust legen könnten, um i n deiner Umarmung zu versinken. I ch dagegen stehe mehr auf die gut definierten , eher feingliedrigen Typen. Diejenigen, bei denen ich nicht gleich einen Nies- oder Kratzanfall bekomme , nur weil mich die Brusthaare k itzeln. Ich fahre auf glattrasierte, gut definierte Sixpacks und gelgestylte Frisuren ab. Dazu noch ein wenig Interesse für Mode und dann, aber erst dann , macht meine Fantasie erotische Ausflüge, die den Versuch wert sind, in die Realität umgesetzt zu werden.“
Verblüfft war Sebastian stehen geblieben und lauschte aufmerksam und durchaus amüsiert Leonies Ausführungen. „Dafür, dass du so ganz und gar nicht auf mich stehst, hast du dir aber offensichtlich einige Gedanken gemacht.“
„Woher willst du das wissen? Die grünen Sprenkel in deinen Augen und das warme offene Lachen, welches du zu T age führst, wenn du manchmal deine kühle Distanziertheit vergisst , habe ich doch überhaupt nicht erwähnt!“ S ie hatte ihn necken wollen und es schien ihr gelungen zu sein. Denn auf seinem Gesicht breitete sich genau das entwaffnende Lächeln aus, welches sie gerad e eben noch angesprochen hatte, aber in seinen Augen lag ein gefährlich herausforderndes Leuchten. Als er dann langsam auf sie zutrat, i hre Augen mit den S einen fixiert e , die grünen Sprenkel vergnügt im schwachen Schein der Strassenbeleuchtung glitzernd, verwandelte sich ihre Kehle in eine Wüste, ihr selbstsicheres Lächeln erstarb und ihre Handflächen wurden feucht.
Er war viel grösser als sie selbst. Das wurde ihr erst bewusst, als er unmittelbar vor ihr stehen blieb und sie den Kopf leicht anheben musste, um ihm mit einem trotzigen Blick zu verstehen zu geben, dass sie bestimmt nicht weichen würde.
Und dieser Geruch. Dieser warme männliche Geruch, der von ihm Ausging. Die sonnengebleichten Strähnen in seinem Haar… Leonie bemühte sich, klar zu denken, brachte aber nur noch die Vorstellung zustande, wie sie mit ihren Händen seinen Hals umschlang, sie tief in seine n Haaren versenkte , während sie sich von seinen Armen umschlingen und an diesen kräftigen Brustkorb pressen liess. Sie konnte nur daran denken, wie sehr sie wollte, dass er genau das mit ihr tat, von dem sie zuvor noch so abschätzig gesprochen hatte. Ihr Atem beschleunigte sich und sie rang mit aller Kraft um Beherrschung.
Sein Gesic ht war jetzt ganz nahe bei ihrem . Er liess ihren Blick auch dann nicht los, als er ihr ganz zart mit Daumen und Zeigefingern über das Kinn strich, den Kopf etwas schräg legte und ihn quälend langsam soweit hinunter senkte, bis sich die Nasenflügel in einer federleichten Berührung trafen. Ein heisses Prickeln schoss durch Leonies Körper.
Sie wusste nicht, ob sie seine Lippen wirklich gespürt hatte, nachdem er seinen Kopf wieder anhob. Immer noch direkt in ihre Augen schauend sagte er dann: „Und du willst mir wei s machen, da ss das Spielen mit deinen Stadtc asanovas mehr Spass macht als mit einem Naturburschen? Liebchen, du demonstrierst hier das s tarke Mädchen mit dem Bedürfnis nach Jungs auf gleicher Augenhöhe. Sie sollten möglichst deine Schönheit bewundern, sich von dir um den Finger wickeln lassen, aber nicht ohne , dass sie dasselbe mit dir tun. Dann reitet ihr auf der gleichen Welle ohne falsche Erwartungen. Dabei hast du nur Angst. Du hast Angst, die Fäden aus der Hand zu legen und dich fall en zu lassen, weil du nicht weiss t, ob du aufgefangen wirst. Vielleicht bin ich der Typ mit etwas mehr Tiefgang, aber so schlecht wie du sagst, kannst du das nicht finden.“
Leonie wollte etwas sagen, aber er kam ihr zuvor. „Wage es nicht zu widersprechen, ich habe dein Zittern deutlich gespürt.“ Insgeheim hoffte er, dass sie seines nicht auch so deutlich wahrgenommen hatte.
1986
Marc kam erst sehr spät in der Nacht zurück in die Wohnung. Sein Atem stank nach Alkohol und seine Kleidung roch, als wäre er eine brennende Zigarette. Mit Ach und Krach schaffte er es zu der richtigen Wohnungstür und streifte polternd die Skischuhe ab, von denen er sich seit Verenas Abgang am
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