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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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„Ehm , nein, die Hand ist auch okay.“ Da er, nachdem er ihre eigentliche Funktion vernommen hatte, die Anrede von Sie auf Du änderte, zog Leonie ihre eigenen Schlüsse. Leicht errötend stand sie auf und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Hallo. Ich bin Leonie. Die Neue. Ich soll mich heute bei einem Sascha melden. Könnte es sein, dass du das bist?“
    „Wir fangen noch einmal an, nachdem du bereits die halbe Bar auseinandergenommen, mich verletzt und anschliessend meinen nackten Fuss begutachtet hast?“ Forschend betrachtete Sascha Leonies Gesic ht. Erst jetzt bemerkte er ihre s maragdgrünen Augen. Wieder eine von dene n. Sebastian wird’s freuen, d achte er bei sich, liess sich aber nichts anmerken.
    „Man zieht in den Bergen mitten im Winter auch keine Snea kers an, sondern festes Schuhwerk.“ Eine bessere Verteidigung fiel Leonie nicht ein, und die Retourkutsche kam prompt.
    Sascha liess seinen Blick an Leonie hinuntergleiten u nd betrachtete die in elegante wildlederne Winterstiefel eingepackten Füsse. „Und so was gilt als festes Schuhwerk, ja?“ Er wartete die Antwort gar nicht erst ab. „Komm, ich zeig ’ dir alles. Normalerweise schicke ich die Frischlinge nicht direkt in einen Samstagabend, aber heute fehlt mir Angela, also musst du ran.“ Während er sprach, schlüpfte er in seinen Schuh und stand auf. Dass er beim Auftreten die Zähne fest zusammenbeissen musste um nicht laut aufzuschreien, wollte er natürlich um jeden Preis vor der hübschen Neuen verheimlichen.
     
     

1986
     
    Sich immer wieder umsehend, um sich zu versichern, dass ihm niemand folgte, humpelte Ambros in d er Dunkelheit den Hügel hinauf, d as kleine Licht hinter den Bäumen immer im Auge behaltend. Der Atem ging stossweise , Schweisstropfen zeichneten sich auf seiner Stirn ab und suchte n sich ihren Weg über das Gesicht. Der Kopf hämmerte immerzu im Rhythmus seines Herzschlages , die Beine waren schwer und die Arme taub . D ennoch , a ufgeben kam nicht in Frage. Sein Spiegelbild im Schaufenster der Bäckerei liess ihn spontan an den Glöckner von Notre Dame denken. Er schauderte , redete sich aber i mmer wieder selbst gut zu, bis er sein Ziel schliesslich erreicht hatte.
    Heftig polterte er gegen die dunkle Holzt ür des anmutigen alten Chalets, solange, bis sich die Tür schliesslich öffnete.
    „Sag mal , spinnst du? Du weckst das ganze Dorf!“ Wütend funkelten zwei verschlafene Augen durch den Türspalt.
    „Wir haben Probleme! Lass mich rein!“
    „Was ist denn hier los?“ Eine beinahe schmerzhaft hohe Frauenstimme liess sich aus dem Hintergrund vernehmen. Gleich darauf wurde die Tür ganz geöffnet und gab den Blick auf eine Dame mit Lockenwicklern und einem langen rosaroten Bademantel, verziert mit gelben Blumen , frei. „Herrgott! Ambros! Was ist denn mit dir passiert?“ Die Frau stürzte zur Tür und holte den verletzten Mann ohne Umschweife herein. Wohl wissen d , dass er nichts dagegen tun konnte, trat Josef zur Seite und sah zu, wie seine eigenwillige Frau dem Verletzten Einlass gewährte . Vor seinem inneren Auge sah er nicht seine Holztür, die mit einem Klacken ins Schloss fiel, sondern eine massive Stahltür, die durch einen Polizisten klirrend verriegelt wurde.
     
    Josef ging nicht direkt in die Küche. Um sich seiner wild gewordenen Gedanken wieder habhaft zu werden, schlurfte er über den grünen Teppich in das warme Wohnzimmer. Dort schnappte er sich den Rotwein, den er vor dem zu Bett gehen nach lässig auf dem Tischchen stehen gelassen hatte, liess sich in den grossen braunen Sessel neben dem Kachelofen fallen, griff am Glas vorbei, setzte direkt die Flasche an und leerte sie in einem Zug. Dann blieb er noch einige Minuten einfach sitzen. Er liess den Blick durch den Raum schweifen, sah sich jedes Bild an der getäferten Wand an, prägte sich die Details eines jeden Möbelstückes genau ein, bevor er sich schwerfällig erhob und in die Küche begab. Seiner Meinung nach hatte er seiner Frau genügend Zeit eingeräumt, den ungebetenen Gast zu verarzten.
    „Genug jetzt. Lass uns allein.“
    „Aber…“
    „Raus.“ Die Entschlo ssenheit in Josefs Stimme bewegte Marlene, ihre Widerworte hinunterzuschlucken und sich aus dem Staub zu machen. Nicht aber , ohne ihren Mann durch ihre Körperhaltung spüren zu lassen, wie wütend sie war.
    Josef verharrte noch kurz in Schweigen, bis er Geräusche aus dem oberen Stockwerk vernahm. Dann wandte er sich seinem Besucher zu. „Was denkst du dir

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