Wenn Die Wahrheit Stirbt
vorgezogen, sich während des Gesprächs hinter seinem Schreibtisch zu verschanzen.
»Aber Sie lassen uns doch einen Blick in Ihren Pass werfen?«
»Nein.«
Kincaid schüttelte den Kopf. »Das ist höchst unkooperativ von Ihnen, Mr. Truman. Wir müssen nur bei der Grenzschutzbehörde nachfragen.«
»Dann empfehle ich, dass Sie das ebenfalls tun.« Truman verschränkte die Arme vor der Brust, die Haltung eines Mannes, der auf seinem Standpunkt zu beharren gedachte. »Und ich werde nur noch im Beisein eines Anwalts mit Ihnen sprechen. Das grenzt ja an Polizeischikane.«
»Ich glaube, Sie werden feststellen, dass dem nicht so ist«, erwiderte Kincaid mit einem Lächeln, bei dem Gemma angst und bange geworden wäre. »Und Ihnen ist hoffentlich klar, Mr.Truman, dass die Personen, die auf einem Anwalt bestehen, in der Regel diejenigen sind, die irgendetwas zu verbergen haben.«
»Damit haben wir ihn bloß vorgewarnt«, meinte Cullen, als sie Gemmas Wagen erreichten. »Und ihm die Chance gegeben, seine Arzneimittelunterlagen zu fälschen.«
»Wenn er nebenbei mit Tierarzneimitteln dealt, wird er das schon längst getan haben«, erwiderte Kincaid. »Und die Menge, die Naz Malik verabreicht wurde, dürfte wohl kaum nachweisbar sein. Ich dachte, er würde vielleicht einen Fehler machen und die Frage nach dem Ketamin mit Naz’ Tod in Verbindung bringen, da wir diese Information bis heute unter Verschluss gehalten haben, aber das hat er nicht getan.«
»Was bedeutet, dass er es entweder nicht weiß oder sehr schlau ist«, warf Gemma ein. »Und dass er sehr schlau ist, mag ich irgendwie nicht glauben.«
»Er wusste etwas über die Mädchen«, beharrte Cullen.
»Den Eindruck hatte ich auch.« Gemma schloss ihren Wagen
auf und ließ die Tür einen Moment offen, um den Innenraum etwas abkühlen zu lassen. »Aber wenn sein Pass sauber ist -«
»Er könnte mit falschen Papieren gereist sein.«
»Ich bin mir einfach nicht so sicher, ob ich ihm so viel Initiative zutrauen mag. Oder so viel Geschick.« Gemma hob frustriert die Schultern.
Kincaid hatte unterdessen nachdenklich die Fassade des Hauses betrachtet. »Truman erfüllt alle Kriterien. Die Verbindung mit Sandra. Die Verbindung mit Ritchies Club. Der Zugang zu dem Ketamin. Aber selbst wenn wir annehmen, dass Sandra ihm auf die Spur gekommen war, sei es in Bezug auf die Mädchen oder die Drogen, und er irgendwie für ihr Verschwinden verantwortlich war, dann fehlt uns immer noch eine Verbindung zu Naz. Die Puzzleteile passen nicht zusammen. Irgendetwas fehlt noch, und ich will verdammt noch mal wissen, was es ist.«
27
»Er mag ein einfacher Polizist sein, aber ich habe allen Grund zu der Annahme, dass er ein anständiger junger Mann ist und einen guten Ehemann abgeben wird.« (Schwester Julienne)
Jennifer Worth, Farewell to the East End
Während Kincaid und Cullen zum Yard zurückfuhren und sich an die lästige Aufgabe machten, die Aufzeichnungen der Zollund Grenzschutzbehörde über John Truman zu überprüfen, fuhr Gemma zurück nach Notting Hill.
»Wir werden etwas Handfesteres vorweisen müssen, wenn wir einen richterlichen Beschluss erwirken wollen, um uns seinen Pass zeigen zu lassen«, hatte Kincaid gesagt, und obwohl Gemma wusste, dass er recht hatte, war sie frustriert und entmutigt. Sie waren so dicht an der Wahrheit dran, aber sie sah keinen Ausweg aus der Sackgasse, in der sie steckten.
Je länger sie darüber nachdachte, was mit Sandra passiert sein musste und was mit Charlotte passieren würde, desto düsterer erschien ihr alles. Sie hatten nichts in der Hand als Gerüchte und Spekulationen. Sie mochten noch so sehr davon überzeugt sein, dass sie richtiglagen - es fehlten die Beweise.
Sie konnten nicht noch einmal mit Alia sprechen, ohne zu riskieren, dass sie ihr Vertrauen verspielten, und sie konnten Lucas Ritchie nicht vernehmen, solange sie Kincaids Vorgesetzten keine überzeugenden Beweise vorlegen konnten.
Sie rief Melody in ihr Büro, um ihr von ihrer zufälligen Begegnung mit Alia und dem Gespräch mit John Truman zu erzählen. »Der Mann ist ein totaler Widerling. Ich weiß, dass er Dreck am Stecken hat - ich bin nur nicht sicher, wie viel. Und wenn er wirklich in Spanien war, kann er Naz nicht getötet haben, und dann sind wir wieder da, wo wir angefangen haben - bei Sandras Brüdern.« Sie seufzte. »Aber wir wären gar nicht erst so weit gekommen ohne diese Liste und ohne Ihre Hilfe«, fügte sie hinzu. »Wenn ich nur
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