Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Fluten eines Flusses, der als Wiege der Menschheit galt?
Frank lebte im Herzen seines Vaters, seiner Mutter und seines Großvaters weiter, und in Neves, obwohl sie ihm nie begegnet war. Doch sein Tod war für Tim, der seinen wundervollen Sohn nie mehr sehen, hören oder berühren konnte, ein Schmerz, den niemand annähernd nachempfinden konnte. War der Wind, der den Sand vor sich her wehte, für ihn tröstlich oder eine Qual? Neve hielt ihn in den Armen und wiegte ihn wie ein Kind, lauschte dem Brausen des Sandsturms und des Meeres, von dem er kam; es hallte ringsum wider, drang durch die Wände, hüllte sie ein.
Nach einer Weile zog er sie auf das Bett hinab. Es war kein Versuch, etwas zu verdrängen, sondern Neve vielmehr in sein Leben mit Frank, in seine Familie einzubeziehen. Sie empfand es als Ehre. Sie lagen eng umschlungen da. Die Wellen brandeten ans Ufer, doch das Haus stand auf einem soliden Fundament. Neve schloss die Augen und küsste ihn, ohne auf das Tosen des Sandsturms und der Wellen zu achten, das nicht nachließ. Sie küsste ihn, immer wieder.
Tim lag mit offenen Augen da. Sein Leben war an dem Tag zerstört worden, als die beiden Männer an Beths Tür aufgetaucht waren. Bis vor wenigen Stunden hatte er nie darüber gesprochen, hatte nie jemandem Franks Karte gezeigt, hatte nie jemanden Franks Worte lesen lassen.
Sie waren auf dem Bett eingeschlummert. Neves Kopf lag in seiner Armbeuge, ihre Brust hob und senkte sich, sie schlief tief und fest. Tim lag so reglos da wie möglich, lauschte den Wellen, die an den Strand brandeten. Sein Herz klopfte – hatte er wieder geträumt?
Er hatte seit Wochen den gleichen Traum; er schrieb Franks Namen in den Sand, während die deutschen Besatzungsmitglieder aus dem U-Boot zu ihm hinüberspähten. Doch als er Neve im Arm hielt, wurde ihm bewusst, dass der Traum heute anders verlaufen war. Frank lebte – die zahlreichen Nächte, in denen er seinen Namen geschrieben hatte, hatten ihn zurückgebracht. Er stand mit Neve und ihm am Strand und sagte ein einziges Wort: Erinnere dich .
Tränen traten in seine Augen, als er an den Traum dachte und Franks Stimme hörte. Erinnern? Wie konnte er annehmen, dass er seinen Sohn jemals vergessen könnte? Doch dann fiel ihm noch etwas auf – die Besatzung des deutschen U-Boots war verschwunden. Die Wellen waren verebbt, das Meer in seinem Traum war glatt wie ein See. Er wusste, dass das U-Boot weggebracht worden war, dass dieses sichtbare Zeichen des Krieges und der Spuren, die Kampf und Tod unmittelbar vor ihrer Haustür hinterlassen hatten, ausgelöscht waren.
Das hatte Frank in seinem Traum gemeint: Erinnere dich .
Tim hielt Neve in den Armen. In ihrer Gegenwart spürte er das Leben, das ihn wie eine mächtige Welle durchströmte. Sie lag auf der Seite, den Rücken an ihn geschmiegt. Ihr ärmelloses schwarzes Kleid war bis zu den Hüften hochgerutscht; er beugte sich über sie, küsste ihre nackte Schulter. Seine Lippen liebkosten ihre Haut.
Das kastanienfarbene Haar fiel ihr ins Gesicht. Er streckte die Hand aus, strich es sanft zur Seite. Sie drehte sich zu ihm, und er küsste sie. Sie schlang die Arme um seinen Hals und presste sich an ihn. Er spürte die Rundung ihrer Brüste, und sie stöhnte leise auf, als er seine Hand behutsam unter sie schob, sie an sich zog.
Sie küssten sich sanft, dann voller Leidenschaft. Sie umklammerte ihn, erfüllt von einer Sehnsucht, die beide lange nicht mehr verspürt hatten, mit einem Verlangen, das so ungezügelt war wie die Wellen, die ans Ufer brandeten.
Als das erste Begehren gestillt war, liebten sie sich ein weiteres Mal. Dieses Mal ließen sie sich viel Zeit, denn plötzlich drang das erste Licht der Dämmerung durch das Fenster. Es war silberfarben, mit einem Hauch von Morgenröte. Vögel, Migranten aus dem Süden, fanden sich in dem Dickicht unweit der Dünen ein. Ihr Gesang übertönte fast das Tosen der Wellen.
»Guten Morgen«, flüsterte Neve.
»Morgen, Neve.«
»Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht und dachte, ich träume nur, dass ich hier, bei dir bin.«
»Ich habe von dir geträumt.« Sein Traum war mit einem Mal wieder lebendig. Erinnere dich …
»Haben wir das in deinem Traum auch gemacht?« Lächelnd streckte sie die Arme nach ihm aus.
Sie küssten sich; dann schüttelte er den Kopf.
»Wir haben etwas anderes getan. Musst du heute arbeiten?«
»Theoretisch ja. Aber Dominic schuldet mir nach gestern Abend einen freien Tag, sonst kann er sich
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