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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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eine Handbreit. Begeistert wandte sich Neve Tim zu, um zu sehen, ob er den Stellungswechsel bemerkt hatte. Er nickte, durch ihr strahlendes Lächeln aus dem Gleichgewicht gebracht.
    Noch vor zwei Minuten war sie wütend auf ihn gewesen, doch nun glühte sie vor Freude. Bei ihrem Lächeln entspannte sich etwas in ihm, und er trat einen Schritt näher. Tiere in freier Wildbahn zu beobachten, war ein ernstes, fast intimes Unterfangen. So etwas machte man nicht mit jedem.
    Tim erinnerte sich, wie er Beth kurz nach der Hochzeit zu einigen seiner Lieblingsplätze mitgenommen hatte: Hanging Rock, Monninger Ravine, Mount Lovejoy und hierher, ins Salt Marsh Refuge. Er hatte das Bedürfnis gehabt, ihr sowohl seine Liebe zu den Tieren als auch zu dem wunderbaren Lebensraum begreiflich zu machen, in dem sie heimisch waren. Trotz der Spannungen und der herrschenden Funkstille, hatten sein Vater und sein Onkel ihm diese Liebe vermittelt – und er hatte sie mit Beth teilen wollen.
    Wie sich herausstellte, konnte Beth der Natur wenig abgewinnen. Er hatte einen Garten für sie angelegt, doch er verwilderte. Er hatte ein Vogelhaus am Ahornbaum aufgehängt, aber sie schien keine Lust zu haben, die gefiederten Kostgänger zu beobachten. Er hatte sie so sehr geliebt, dass er darüber hinwegsah, aber es hatte ihn getroffen. Das wusste er inzwischen, nach langem Ringen mit sich selbst. Menschen, die keine gemeinsamen Interessen hatten, sollten vermutlich … nun, gar nicht erst heiraten.
    Als er die Eule betrachtete, die Wintersonne in den Augen, spürte er sein Herz klopfen. Es war sein Beruf, die Natur zu schützen – dafür wurde er bezahlt. Aber sie an der Seite eines Menschen zu erleben – nur eine Handbreit von Neve –, übertraf alles. Das Gefühl, das diese Erfahrung hervorrief, war mehr als er bewältigen konnte, und deshalb tat er das, was Beth ihm immer vorgehalten hatte: Er verschloss sich. Nach ein paar Sekunden drehte er sich um und ging zum Truck zurück.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Meer und blickte über die Schulter, auf die Stelle, die einen großen Teil seines Lebens geprägt hatte. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Neve zu ihm herumwirbelte, hörte das Surren der Kamera. Sie hatte ihn fotografiert.
    Tim stieg in die eisige Fahrerkabine. Sein Blick wanderte von Neve und der Eule wieder zum Meer zurück: Er betrachtete die Brandung, die ans Ufer rollte, über U-823 hinweg. Er wusste genau, wo es lag – er konnte es an den Wellen erkennen, die an der Stelle brachen, riesige transparente Brandungswellen, die aus dem Meer aufstiegen, sich überschlugen und tosend in sich zusammenfielen, einen langen, furiosen weißen Gischtstreifen hinterlassend.
    Das U-Boot hatte unmittelbar vor der Küste Posten bezogen und auf einen Konvoi mit Handelsschiffen gewartet, der von New York City kommend durch den Long Island Sound fuhr und das offene Meer ansteuerte. Es wäre ihnen in die tieferen Gewässer des Atlantiks gefolgt, hätte gemeinsam mit anderen deutschen U-Booten Jagd auf sie gemacht. Dass es nicht so weit kam, war einem einzigen Mann zu verdanken. Gray Goose, Graugans, lautete sein Spitzname, und noch heute hatte er mehr mit Luftraum und Fluggeräten als mit Wasser und U-Booten zu tun. Während Tim sinnend die Brandung betrachtete, fragte er sich, was er wohl zu alledem sagte.
    Wenige Minuten später kam Neve zurück und stieg auf der Beifahrerseite ein. Er hatte in der Kälte gesessen, um weder die Eule noch sie bei der Arbeit zu stören, doch nun startete er den Motor und schaltete die Heizung ein.
    »Sieht ganz so aus, als hätten Sie ein paar gute Fotos gemacht.«
    »Richtig. Auch eines von Ihnen.«
    »Das Sie mit Sicherheit löschen.«
    »Danke, dass Sie mich hierher gebracht haben.«
    »Nun, Sie sagten doch, die Fotos wären für Mickey bestimmt.«
    Sie nickte. »So ist es. Sie waren sehr nett zu ihr – danke …«
    Tim wollte gerade losfahren, als sie die Hand auf seinen Arm legte; er sah sie an. Ihre Hand war federleicht, aber er hatte das Gefühl, als erhielte er einen Stromstoß.
    »Sie mögen mich nicht besonders«, sagte sie.
    »Das sehen Sie falsch.«
    »Was haben Sie dann gegen mich?«
    »Nicht das Geringste.« Und da er es als unhöflich empfand, es dabei bewenden zu lassen, fügte er hinzu: »Haben Sie jemals einen Fehler begangen, der so schlimm war, dass Sie jedem davon abraten möchten, das Gleiche zu tun?«
    »Was haben Sie verbrochen?«
    »Ich bin in die Fußstapfen

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