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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Gesichtsausdruck ruft eine Erinnerung in mir wach. Mir fällt wieder ein, wie ich in der Siebten nach Tara Flutes Poolparty nach Hause kam und mein Gesicht genau so im Spiegel aufleuchten sah, als hätte mir jemand einen Lottoschein mit sechs Richtigen überreicht und mir erklärt, dass sich mein Leben jetzt ändern würde.
    Â»Danke.« Ich stecke den Stift in meine Tasche. Sie hat immer noch diese Miene aufgesetzt – das kann ich aus den Augenwinkeln sehen – und nach einer Weile drehe ich mich um und sage: »Du solltest nicht so nett zu mir sein.«
    Â»Was?« Jetzt sieht sie total fassungslos aus, was auf jeden Fall eine Verbesserung ist.
    Ich muss flüstern, weil Tierney den Unterricht wieder aufgenommen hat. Chemische Reaktionen, blablabla. Stoffumwandlung. Vermische zwei Flüssigkeiten miteinander und sie bilden einen festen Stoff. Zwei plus zwei ist nicht gleich vier.
    Â»Nett zu mir. Solltest du nicht sein.«
    Â»Warum nicht?« Sie verzieht so stark das Gesicht, dass ihre Augen beinahe verschwinden.
    Â»Weil ich nicht nett zu dir bin.« Es ist überraschend schwierig, die Worte herauszubringen.
    Â»Du bist wohl nett«, sagt Lauren und schaut ihre Hände an, aber sie meint es ganz offensichtlich nicht so. Sie sieht auf und versucht es noch einmal: »Du musst doch nicht …«
    Sie bricht ab, aber ich weiß, was sie sagen will. Du musst doch nicht nett zu mir sein.
    Â»Genau«, sage ich.
    Â»Mädels!«, bellt Mr Tierney und haut mit der Faust auf seinen Labortisch. Ich schwöre, dass er beinahe neonfarben anläuft.
    Lauren und ich reden während der restlichen Stunde nicht mehr miteinander, aber ich gehe mit einem guten Gefühl aus Chemie, als hätte ich das Richtige getan.
    Â»Das sehe ich gern.« Mr Daimler trommelt mit den Fingern auf meinen Tisch, während er zum Ende der Stunde durch die Reihen geht, um die Hausaufgaben einzusammeln. »Ein breites Lächeln. Es ist so ein schöner Tag …«
    Â»Es soll später noch regnen«, wirft Mike Heffner ein und alle lachen. Was für ein Vollidiot.
    Mr Daimler lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. »… und wir feiern Valentinstag. Liebe liegt in der Luft.« Er sieht mich direkt an und eine Sekunde lang setzt mein Herzschlag aus. » Alle sollten lächeln.«
    Â»Nur für Sie, Mr Daimler«, sage ich und lasse meine Stimme besonders süß klingen. Mehr Gekicher und ein lautes Schnauben von hinten. Ich drehe mich um und sehe, wie Kent mit gesenktem Kopf wütend etwas auf den Umschlag seines Blocks kritzelt.
    Mr Daimler lacht und sagt: »Und ich dachte, ich hätte dich mit Differenzialgleichungen in Aufregung versetzt.«
    Â»Mit etwas haben Sie sie aber in Aufregung versetzt«, murmelt Mike. Erneut Gelächter der Klasse. Ich bin mir nicht sicher, ob Mr Daimler das gehört hat – anscheinend nicht –, aber er bekommt rote Ohren.
    Die ganze Stunde war so. Ich habe gute Laune, es wird sicher alles gut. Ich habe es jetzt kapiert. Ich bekomme eine zweite Chance. Mr Daimler hat mich heute ganz besonders beachtet. Nachdem die Liebesboten da waren, guckte er sich meine vier Rosen an, zog die Augenbrauen hoch und sagte, ich müsse überall heimliche Verehrer haben.  
    Â»Gar nicht so heimlich«, erwiderte ich und er zwinkerte mir zu.
    Nach der Stunde packe ich meine Sachen zusammen und gehe raus auf den Gang, wobei ich nur einen Augenblick stehen bleibe, um einen Blick über die Schulter zu werfen. Und richtig, Kent kommt hinter mir hergesprungen, sein Hemd ist ihm aus der Hose gerutscht, seine Kuriertasche steht halb offen und schlägt gegen seinen Oberschenkel. Was für ein Chaot. Ich gehe auf die Schulmensa zu. Heute habe ich mir seine Nachricht genauer angesehen: Der Baum ist mit schwarzer Tinte gezeichnet und jede Vertiefung und jeder Schatten auf der Rinde sind perfekt schraffiert. Die Blätter sind winzig und diamantenförmig. Es muss Stunden gedauert haben, das zu zeichnen. Ich habe es zwischen zwei Seiten meines Mathebuchs gesteckt, damit es nicht zerknickt.
    Â»Hey«, sagt er, als er mich einholt. »Hast du meine Nachricht bekommen?«
    Beinahe sage ich: Sie ist echt gut , aber irgendetwas hält mich davon ab. »›Kein Alkohol beim Liebesspiel?‹ Ist das irgendein Slogan, den ich noch nicht kenne?«
    Â»Ich halte es für meine Bürgerpflicht, diesen

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