Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Aladins Wunderlampe
der Altstadt in den wolkenlosen Himmel. In den Bogengängen, die zu ihrer Rechten lagen, boten Obsthändler Datteln, Feigen und andere Früchte an. Zielstrebig steuerte Aladin diesen Bereich an, der im Schatten lag, denn die Mittagssonne brannte erbarmungslos auf sie herab. Wie eine eingeölte Götterstatue glänzten Aladins nackte Arme. Sie stellte sich vor, wie es wäre, ihm zentimeterweise den Schweiß vom Körper zu waschen und dabei das Spiel seiner Muskeln unter der Haut zu erfühlen.
„Trödel nicht“, riss Aladin sie aus ihren Gedanken und sah sie mürrisch an.
Leila wollte protestieren, folgte ihm jedoch schweigend. Dabei betrachtete sie ausgiebig seine Bewegungen, die kraftvoll und geschmeidig zugleich waren. Bevor sie zu einem Dämon geworden war, hatte sie einmal einen Jungen geliebt, der Aladin sehr ähnlich war. Seinen Namen hatte sie vergessen.
Aladin drängte sich durch die immer dichter werdende Menge der Basarbesucher. Dabei ergriff er ihre Hand und zog sie mit sich. Diese Berührung löste in Leila überwältigende Gefühle aus. Es fühlte sich so vertraut an, als würden sie sich bereits eine Ewigkeit kennen. Sie würde ihm jeden Wunsch erfüllen.
Vor den Ständen der Obsthändler hielten sie an. Während Aladin mit einem Händler um den Preis für eine Handvoll reifer Datteln feilschte, bemerkte Leila, wie seine Hand in Sekundenschnelle zwei rote Äpfel aus einem Korb stahl und sie unbemerkt in der Hosentasche verschwinden ließ. Erstaunt schwieg sie. Sie verließen den Stand, ohne die Datteln zu kaufen. Leila warf einen Blick über die Schulter zurück, um sich zu vergewissern, dass der Händler nichts vom Diebstahl bemerkte hatte. Erleichtert atmete sie auf.
Sicher bugsierte Aladin sie weiter durch das Gedränge, vorbei an den vielen Händlern, die aus allen Gegenden des Landes nach Bagdad gekommen waren, um ihre Ware anzupreisen.
„Warum hast du gestohlen?“, flüsterte sie nach einer Weile, als sie sicher war, dass sie niemand belauschte, und hielt ihn am Arm fest.
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um.
„Aus Gewohnheit. Stehlen gehört in Bagdad zum Überleben“, erklärte er mit ernster Miene.
„Aber ich kann dir doch alle Speisen herbeizaubern.“
„Ja, das stimmt, aber ich stehle, seit ich denken kann. Es gehört zu meinem Leben. Und außerdem will ich keinen der beiden Wünsche vergeuden.“ Er grinste sie an.
Plötzlich wandte er sich um.
„Warte bitte einen Moment. Bin gleich wieder zurück.“
Leila beobachtete, wie er auf zwei Kinder zuging, die sich in den Schatten einer Mauer drängelten und mit großen Augen auf die Früchte starrten, die in einem Korb zu ihren Füßen lagen. Aus ihren ausgezehrten Körpern sprach der Hunger.
„Verschwindet, Diebesgesindel!“ Ein Händler stieß sie grob beiseite. Ängstlich duckten sie sich und wollten fortrennen.
Da zog Aladin die beiden Äpfel aus seiner Tasche und reichte sie ihnen. Sofort erhellten sich die Mienen der beiden Jungen, die hastig nach den Früchten griffen und herzhaft hineinbissen.
Diese Geste machte Aladin noch sympathischer. Leila schämte sich, weil sie nicht selbst die beiden Jungen bemerkt hatte. Hunger kannte sie nur aus Erzählungen.
Aladin kehrte mit einem Lächeln zu ihr zurück.
„Das war wirklich edelmütig von dir“, begrüßte sie ihn voller Bewunderung.
„Hunger tut weh. Ich kenne dieses Gefühl zur Genüge. Schließlich zähle ich zu den Ärmsten Bagdads.“
Er nahm ihre Hand und zog sie weiter durch die schnatternde Menge. Aladin blieb abrupt stehen, dass Leila gegen ihn prallte.
„Was ist? Warum gehen wir nicht weiter?“, fragte sie.
Laute Rufe hallten von den Mauern und alle strömten plötzlich zur Mitte des Marktplatzes. Schellentrommeln und Flöten ertönten. Aladin schloss sich dem Strom der anderen an.
„Eine wichtige Persönlichkeit scheint heute den Markt zu besuchen. Komm, lass uns nachsehen. Oft werden Münzen geworfen.“
Noch ehe Leila protestieren konnte, folgte sie ihm in das dichte Gedränge schwitzender Leiber.
Von Weitem erkannte sie eine Sänfte, die auf den Schultern von vier schwarzen Männern ruhte. Zwei weitere Diener mit wichtigen Mienen flankierten sie.
Die weichfließenden, grünen Vorhänge verhinderten die Sicht auf die Person in der Sänfte.
Leila bemerkte das fiebrige Glänzen in Aladins Augen, als allgemeiner Jubel ausbrach. Er reckte wie alle anderen erwartungsvoll seinen Kopf weit nach vorn, aber die wichtige Persönlichkeit in der
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