Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Aladins Wunderlampe
Sänfte gab sich nicht zu erkennen.
Leila beschloss, ein wenig nachzuhelfen. Sie spitzte die Lippen und pustete, bis ein leichter Wind aufkam, der den Vorhang anhob und über das Dach klappte. Ein ehrfürchtiges Raunen ging durch die Menge. Leila bereute ihre Entscheidung, denn in der Sänfte saß die schönste Frau, die sie je gesehen hatte. Kein Gesichtsschleier verhüllte ihr herzförmiges Gesicht mit den schräg geschnittenen Augen. Die Haut war makellos, Lippen und Augen perfekt geschminkt. Lange, schwarze Wimpern warfen Schatten auf ihre hellen Wangen. Sie zog einen Schmollmund, der sicher auf Männer verführerisch wirkte. Neben ihr kam sich Leila unscheinbar und blass vor, obwohl der Meisterdschinn ihr mehrfach versichert hatte, wie anziehend sie wirkte und wie leicht es ihr fallen würde, ihren Gebieter allein durch ihren Anblick zu bezaubern. Aladin jedoch schien gegen ihre Reize immun zu sein. Schließlich hätte er mehr erfreut sein können, einen weiblichen Dschinn befreit zu haben.
Wie gebannt hing er dagegen am Anblick der Schönen, die huldvoll ihre Hand hob.
„Jasmin“, flüsterte er voller Bewunderung. Wie er diesen Namen aussprach, erweckte in Leila wieder diesen Anflug von Eifersucht, der sich wie ein Stein in ihrem Magen ballte.
Energisch zog sie Aladin am Arm, aber er konnte sich nicht losreißen und gaffte diese Jasmin mit offenem Mund und Hundeblick an. Das ärgerte Leila.
„Nun weißt du, wer in der Sänfte sitzt.. Du wolltest doch zu deinem Haus gehen.“ Sie benötigte zwei Versuche, um Aladin aus der Starre zu reißen.
„Schon gut“, murrte er und ging seufzend weiter. Leila folgte ihm.
Aladin schwieg, er schien in Gedanken weit entfernt zu sein. Bestimmt dachte er wieder an die Schöne aus der Sänfte. Ohne auf Leila zu achten, marschierte er weiter.
Sie hätte zwar gern noch eine Zeit lang auf dem Basar verweilt, um alles in Ruhe zu betrachten, aber sie musste ihrem Herrn folgen.
Der Besucherstrom lichtete sich, als er sie aus der Kasbah durch ein enges Gassengewirr führte, das an der steinernen Brücke endete, die sich über den Tigris spannte. Hier, außerhalb des Zentrums, erschien die Stadt wie ausgestorben.
Am anderen Flussufer thronte oben auf einem Berg der Palast des Kalifen mit seinen unzähligen Spitztürmen und der prächtigen goldenen Kuppel, die im Sonnenlicht glänzte. Aladin wirkte entspannter.
„Siehst du, da hinten?“ Er zeigte auf eine weit entfernte Häuserzeile unterhalb des Palastes. „Da befindet sich mein bescheidenes Haus.“ Bilder drängten sich Leila auf.
Plötzlich glaubte sie sich zu erinnern, schon einmal während ihres menschlichen Daseins hier gewesen zu sein, einst in den Palastgärten gespielt zu haben. Fast meinte sie, das Plätschern des Wasserspiels zu hören, das sie damals bewundert hatte.
Die Palastgärten des Kalifen waren einzigartig und die schönsten, die sie je gesehen hatte, mit prächtigen Herbstanemonen und duftendem Kletterjasmin. Aber die eigentlichen Attraktionen waren die Wasserspiele, die in allen Variationen existierten und in der Hitze Abkühlung versprachen. Es war ein bewegender Moment, sich dieser Erinnerung bewusst zu werden.
Aladin, der ihr Zögern bemerkt hatte, drehte sich zu ihr um.
„Was ist?“ Eine Mischung aus Neugier und Ungeduld lag in seiner Stimme.
„Ich bin schon einmal vor langer Zeit hier gewesen“, flüsterte sie. Eine Träne stahl sich aus ihrem Auge.
„Wie kann das sein? Du warst in der Lampe eingeschlossen und hast mir gesagt, ich wäre der Erste, der dich befreit hätte. Außerdem gibt es keine Dschinn, die in Bagdad leben, davon wüsste ich.“ Er schmunzelte.
„Das stimmt. Auch ich war einmal ein Mensch, der in dieser Stadt gelebt hat.“ Die Gefühle drohten, sie zu überwältigen. Mit einem Mal schien es ihr, zu Hause angekommen zu sein.
Aladin wischte ihr mit dem Daumen die Träne fort, die über ihre Wange lief. Mitgefühl lag in seinem Blick. Am liebsten hätte Leila ihr Gesicht in seine Hand geschmiegt, stattdessen stand sie stocksteif da und sah ihn an.
„Vergiss die Vergangenheit, vor dir liegt die Zukunft. Komm, lass uns weitergehen“, sagte er sanft. Leila schüttelte den Kopf.
„Ich bin das Laufen nach tausend Jahren nicht mehr gewöhnt. Meine Füße sind voller Blasen. Ich habe eine bessere Idee.“ Sie schnippte lächelnd mit dem Finger. Aladin zog fragend die Brauen hoch.
„Ich habe mir aber gar nichts gewünscht.“
„Stimmt. Der Teppich ist so was wie
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