Wenn es Nacht wird in Miami
antwortete Mitch.
„Della hat ihm die Windeln gewechselt?“, wunderte sich Carly.
„Nein, ich.“ Damit machte man immer Punkte. „Lass uns meinen Wagen nehmen.“
Im Hinausgehen fragte Carly: „Wie alt waren die Kinder deiner Verlobten?“
„Eins und vier, als wir zusammenkamen.“
„Und wann habt ihr euch getrennt?“
„Zweieinhalb Jahre später.“ Mitch wollte das Thema wechseln. „Wo soll’s denn hingehen?“
„Nach Hialeah. Muss schlimm für dich gewesen sein. Wie heißen die Kinder?“
Sie lässt nicht locker, dachte Mitch zähneknirschend. „Travis und Ashley. Was machen wir denn in Hialeah?“
„Wir treffen Tina, eine Arbeitskollegin von mir. Sie wohnt dort.“
Sie waren an Mitchs Geländewagen angekommen. Mitch öffnete die Türen und ging schnell um den Wagen herum, um weiteren Fragen auszuweichen. Als Carly Rhett in seinem Kindersitz, den Mitch kürzlich angeschafft hatte, verstaut und angeschnallt hatte, saß Mitch schon hinter dem Steuer und schaltete das Autoradio ein. Während sie neben ihm Platz nahm, öffnete er das Verdeck. Er hatte keine Lust auf weitere Fragen nach Trish und den Kindern und hoffte, dass der Fahrtwind und die Musik die weitere Unterhaltung unterbinden würden. Mitch fragte Carly nach der genauen Adresse und programmierte das Navigationsgerät, damit er sie unterwegs nicht nach dem Weg fragen musste und ihr damit Gelegenheit gab, wieder auf ihre Fragen zurückzukommen. Dann fuhren sie los. Der herrliche Julimorgen verhieß einen wolkenlosen, heißen Tag.
Einen Besuch bei einer Arbeitskollegin würde er überleben. Für den Rest des Tages gehörte Carly ihm allein. Seine Zuversicht bekam einen Dämpfer, als er in die Straße einbog, in der Tina wohnte. Ein halbes Dutzend Familienkombis stand vor der Tür. Am Briefkasten signalisierten bunte Luftballons, was hier los war: Ein Kindergeburtstag wurde gefeiert.
Carly amüsierte sich köstlich über Mitchs überraschten Gesichtsausdruck. „Die Zwillinge von Tina werden heute fünf“, erklärte sie. „Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ Sie lächelte ihn an. Wieder dieses Lächeln, vor dem er die Waffen strecken musste.
Carly steuerte mit Rhett auf dem Arm zielstrebig den schmalen Fußweg an, der um das bescheidene zweigeschossige Haus herum in den Garten führte. Dort hatten sich bereits etwa zwei Dutzend Kinder in unterschiedlichem Alter versammelt. Ein Stückchen abseits saßen oder standen knapp halb so viele Muttis. Inmitten unzähliger Bälle jeder Farbe und Größe befanden sich eine Sandkiste mit Schaukel, ein Klettergerüst und eine Hüpfburg.
Rhett strampelte unternehmungslustig auf Carlys Arm und strebte, als er abgesetzt wurde, dem bunten Treiben der Kinder zu, während sich die Blicke der Mütter mit unverhohlener Neugier auf den einzigen männlichen Gast dieser Veranstaltung richteten.
Mitch folgte brav auf Carlys Spuren und gab sich Mühe, ein freundliches Lächeln aufzusetzen.
Sollte Carly wirklich vorgehabt haben, Mitch einen Streich zu spielen, merkte sie sehr schnell, dass dieser Schuss nach hinten losging. Mitchs Befangenheit währte nicht lange. Nachdem er mit seinem Charme sämtliche Damen betört hatte, gesellte er sich zu einer Gruppe von etwas älteren Jungen. Bald hatte er ein Ballspiel organisiert, und alle Beteiligten waren mit Feuereifer dabei. Der allgemeine Beifall der Mütter war ihm sicher, und die Lobeshymnen auf ihn wollten nicht enden.
Carly selbst hatte die größte Schwierigkeiten, sich auf ein Gespräch zu konzentrieren, solange sie Mitch zusah und seine tiefe, männliche Stimme hörte, die sie immer wieder in ihren Bann zog. Nach einer Weile setzte sich Tina, der nicht entgangen war, dass sich Carly nur mit halbem Ohr an den Gesprächen beteiligte, zu ihrer Freundin auf die Gartenbank. „Du hättest mir sagen sollen, dass du wieder einen Freund hast. Dann hätte ich aufhören können, mir Gedanken zu machen, mit wem ich dich verkuppeln soll.“
Tina war zehn Jahre älter als Carly. Als Kollegin hatte sie sie in Carlys ersten Berufsjahren unter die Fittiche genommen, und wenn es jemanden gab, dem Carly vertrauen konnte, war sie es.
„Mitch ist nicht mein Freund. Sein Vater, Everett Kincaid, der vor Kurzem gestorben ist, ist auch Rhetts Vater. Aber bitte sag es niemandem, sonst gibt es einen Riesenaufstand in der Presse.“
Tina machte große Augen. Dann warf sie einen Blick auf Rhett, der nicht weit von ihnen gerade mit ihrer jüngsten Tochter spielte.
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