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Wenn es Nacht wird in Miami

Wenn es Nacht wird in Miami

Titel: Wenn es Nacht wird in Miami Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: EMILIE ROSE
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dachte immer, du hasst Kinder.“
    Mitch runzelte die Stirn und lehnte sich zurück. Durch sein Gewicht rutschte sie, ohne es zu wollen, näher an ihn heran, und ihre Knie berührten sich. Sie wich ein Stück zurück. Aber das Herzklopfen konnte sie nicht abstellen.
    „Wie kommst du darauf?“, fragte er.
    „Na ja, deine ersten Reaktionen auf Rhett waren ziemlich frostig.“
    Er trank ein Schluck von dem Wasser, das er sich eingeschenkt hatte. „Ich bin ein bisschen vorsichtig geworden. Man hat mir schon einmal Kinder weggenommen, die ich sehr geliebt habe. Das war kein Spaß.“
    „Du meinst die von deiner früheren Verlobten?“
    Er nickte kurz.
    „Hast du noch Kontakt zu ihnen?“
    Mitch beugte sich vor, stützte die Ellenbogen auf die Knie und sah eine Weile in sein Glas. „Ich habe anfangs versucht, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Aber ich habe bald gemerkt, dass es nicht gut für sie war. Es hat sie nur durcheinandergebracht, und da habe ich mich lieber zurückgezogen.“
    So herzlos, wie sie bis jetzt dachte, war er also doch nicht. Mitchs ganze Körperhaltung sagte in diesem Augenblick mehr als tausend Worte darüber aus, was er ausgestanden hatte und wie er wahrscheinlich noch immer darunter litt. Ihr ging ein Licht auf, warum er anfangs so reserviert auf Rhett reagiert hatte. Sie hatte das plötzliche Bedürfnis, ihm übers Haar zu streichen und ihn zu trösten.
    „Dann müsstest du nachempfinden können, warum ich Rhett nie hergeben würde. Wie sollte der kleine Kerl verstehen, dass ihn erst die Mutter verlässt und dann ich?“
    „Er ist noch klein. Wer weiß, ob er sich überhaupt noch an … seine Mutter erinnert.“
    „Ich hoffe sehr, dass er das tut.“
    Carly hatte allen Grund, gerade an dieser Hoffnung festzuhalten. Wie inständig wünschte sie sich, dass ihrer eigenen Tochter noch ein Funken Erinnerung an sie geblieben war. Und ebenso sehr hoffte Carly, dass ihr Kind ihr verzieh und eines Tages verstand, welche Schmerzen und Überwindung es gekostet hatte, loszulassen und sie aufzugeben. Es klang fast paradox, aber ohne diese Liebe hätte sie nie die Kraft aufgebracht, einzusehen, dass die Zukunft des Kindes wichtiger war als alles andere, auch als ihr brennender Wunsch, das Mädchen zu behalten. Carly war damals sechzehn, und der Vater wollte weder mit dem Kind noch mit ihr etwas zu tun haben, nachdem sie es zur Welt gebracht hatte.
    Mitch schaute Carly mit seinen grünen Augen an. Es kam ihr vor, als könnte er in sie hineinsehen.
    „Was passiert eigentlich“, fragte er, „wenn du dich einmal in einen Mann verliebst und mit ihm zusammenbleiben möchtest, der es ablehnt, das Kind eines anderen großzuziehen?“
    „Mit so einem Mann würde ich nichts zu tun haben wollen“, kam prompt die Antwort. „Liebe heißt für mich, einen Menschen so zu akzeptieren, wie er ist, mit allem, was zu ihm gehört.“ Carly wusste aus eigener Erfahrung, dass man nur selten jemanden traf, der das konnte.
    „Mit anderen Worten brauchst du jemanden, dem Rhetts Zukunft genauso wichtig ist wie dir.“ Mitch machte eine bedeutungsvolle Pause. „Jemanden wie mich.“
    Carly war wie vom Donner gerührt. Die Eiswürfel klirrten leise in ihrem Glas. Ihre Hände zitterten. „Was willst du damit sagen, Mitch?“, fragte sie langsam.
    Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es zusammen mit seinem auf den niedrigen Couchtisch. „Ich habe dir gestern schon gesagt, dass es da etwas zwischen uns gibt, Carly. Meinst du nicht, wir sollten es einfach einmal ausprobieren?“
    Mit dem Handrücken streichelte er ihr die Wange und löste damit ein Erdbeben in ihr aus.
    „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, sagte Carly.
    „Was spricht dagegen?“, fragte er.
    „Zum Beispiel, dass du Marlene dazu bringen wolltest, das Kind nicht zu bekommen.“
    Er ließ seine Hand auf ihre Schulter sinken. „Ich war damals so etwas wie das ausführende Organ meines Vaters – nicht nur im Geschäft. Ich handelte in seinem Auftrag, und der lautete, Marlene davon zu überzeugen, dass er zu alt dazu war, noch einmal ein Kind großzuziehen, und dazu noch mit einer Frau, die er nicht wirklich liebte.“
    Carly zuckte zurück. „Aber Marlene hat ihn geliebt.“ Wenigstens hat sie das immer behauptet, dachte Carly. Ihre Schwester konnte sehr überzeugend auftreten. Zweifel an ihrer Version der Geschichte waren erst gekommen, nachdem Carly ihr Tagebuch gelesen hatte.
    „Wenn das stimmt, würde es mir für sie leidtun.“

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