Wenn es Nacht wird in Miami
verscheuchen, das ihn schon den ganzen Tag verfolgte. Sie liebte ihn! Er schwankte zwischen Euphorie und Panik, wenn er daran dachte.
„Und wo liegt dann das Problem?“, wollte Rand wissen.
„Carly hat Franks Bericht in die Hände bekommen.“
Rand pfiff leise durch die Zähne. „Und weiter? Los, lass dir doch nicht alles so aus der Nase ziehen.“
„Na ja, dass ich über sie Erkundigungen eingezogen habe, hat sie furchtbar aufgeregt.“
„Kann ich verstehen.“
„Wieso? Es geht einfach um Tatsachen, und denen muss man sich stellen. Darüber kann man dann immer noch reden.“ Rand sah seinen Bruder mit einem Blick an, als ob er an seinem Verstand zweifelte. „Was ist?“
„Der Zweck heiligt die Mittel, oder was willst du damit sagen? Du wirst Dad immer ähnlicher.“
Mitch wandte sich empört ab. „Unsinn! Was habe ich schon gemacht?“
Rand verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast zum Beispiel ihre Privatsphäre verletzt. Und ihren Stolz. Was du gemacht hast, ist nicht gerade ein Vertrauensbeweis.“
„Was hätte ich denn tun sollen? Ich wollte schließlich die Familie und das Unternehmen schützen.“
„Du hättest sie selbst fragen können. Unser Erbe bewahren, das uns rechtmäßig zusteht, das wollen wir alle. Deshalb brauchen wir uns aber noch lange nicht auf Dads Niveau zu begeben und den Respekt vor anderen Menschen verlieren.“
Er hätte sie selbst fragen können – genau das hatte Carly ihm auch gesagt. Rand hatte recht. Es waren genau die Verhaltensmuster und Maximen seines Vaters: Der Zweck heiligt die Mittel – ohne Rücksicht auf Verluste. Und Carly hatte auch recht, wenn sie ihn ein widerliches Scheusal nannte.
Mitch ging ans Fenster und schaute aus dem dreißigsten Stock auf den Strand hinab. Ein machtbesessener Zyniker wie sein Vater wollte er bestimmt nicht werden. Ein grauenhafter Gedanke. Mit Glück war es noch nicht zu spät, diese Entwicklung zu stoppen.
„Ist sie mit dem Kind ausgezogen?“, fragte Rand.
„Nein. Sie wohnen jetzt in dem anderen Flügel des Hauses. Dort, wo ich ursprünglich das Kinderzimmer einrichten wollte.“
Sein Personal hatte ihr bei dem Umzug geholfen. Seitdem hatte Mitch nichts mehr von ihnen gesehen, weder von Carly noch von Rhett. Am Abend waren sie dann mit Carlys Eltern, die inzwischen angekommen waren, essen gegangen.
In dem von ihm bewohnten Teil von Kincaid Manor war es seitdem still geworden, fast unheimlich still. Früher einmal hatte er diese Stille genossen. Jetzt bedrückte sie ihn, und er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan.
Zum Teufel, er vermisste diese Frau. Und den fröhlichen kleinen Racker nicht weniger. Als er allein beim Frühstück saß, erschien ihm dann zu allem Überfluss eine zurückverwandelte Mrs. Duncan: wortkarg, zugeknöpft, ganz der alte Wachhund, den Mitch aus der Vor-Carly-Ära kannte.
„Dann sind wir ja noch nicht ganz aus dem Rennen“, bemerkte Rand und riss Mitch aus seinen trüben Gedanken. „Wollen wir wenigstens hoffen, dass Nadia es in Dallas einfacher hat. Und was machst du jetzt?“
Mitch drehte sich zu Rand um und zuckte die Achseln. Seinem älteren Bruder brauchte er nichts vorzumachen. „Ich habe keine Ahnung“, sagte er.
Carly und Rhett waren zwar in Kincaid Manor geblieben, trotzdem gelang es Carly, jede Begegnung mit Mitch zu vermeiden. Rhett und sie gingen zum Essen nicht mehr ins Esszimmer. Sogar ihre Laufstrecke hatte Carly in einen anderen Stadtteil verlegt.
Bis zum Donnerstag hielt Mitch die Funkstille aus, dann beschloss er, ihr ein Ende zu bereiten. Er wollte Carly und den Kleinen sehen. Am Abend stieg er die Treppen zum anderen Flügel des Hauses hinauf. Schon auf dem Korridor hörte er Rhetts vergnügtes Lachen, und es war, als ginge Mitch das Herz dabei auf. Er ging schneller, wobei er seine Schritte dämpfte, und drückte lautlos die nur angelehnte Tür zum Kinderzimmer ein Stück weiter auf.
Carly hockte neben Rhett und war dabei, ihn nach seinem Bad abzutrocknen. Rhett bemerkte den Besucher sofort. „Mitt! Mitt!“, rief er freudestrahlend und kam Mitch auf seinen kurzen Beinen entgegengewackelt.
Mitch kniete sich auf den Boden. Sekunden später war Rhett bei ihm, und er schloss ihn in die Arme. Dann blickte er zu Carly. Die richtete sich auf und hielt schützend das Handtuch vor sich. Rhetts Bad war offenbar ein feuchtes Vergnügen gewesen, denn ihr nasses T-Shirt klebte ihr am Körper, sodass Mitchs Puls augenblicklich schneller wurde.
Carly sah ihn
Weitere Kostenlose Bücher