Wenn es Nacht wird in Miami
die ganze Geschichte und ließ auch die Passagen nicht aus, die ein weniger gutes Licht auf ihn warfen.
Rand hörte schweigend und mit unbewegter Miene zu.
Als Mitch geendet hatte, seufzte Nadia und meinte: „Da hast du dich ja schön ins Abseits gestellt. Und was willst du jetzt machen?“
Die ganze Nacht hatte Mitch wach gelegen und über dieser Frage gebrütet. Was er ihnen jetzt mitzuteilen hatte, würde seinen Geschwistern nicht gefallen. „Carly lässt sich nicht davon abbringen, dass alles, was ich tue, nur dem Zweck dient, an die Erbschaft zu kommen. Ich muss ihr das Gegenteil beweisen. Also werde ich von hier fortgehen.“
„Bist du verrückt geworden?“, rief Rand.
Nadia blieb ruhig und nickte nachdenklich. „Ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst.“
„Das kostet uns das Vermögen und die Reederei. Das ist dir wohl klar.“ Man merkte, dass Rand sich mit aller Macht zusammennahm, um nicht aus der Haut zu fahren.
Mitch drehte sich zu ihm. „Weißt du noch, was du gesagt hast? Unser Erbe bewahren wollen wir alle. Deshalb brauchen wir uns aber noch lange nicht auf Dads Niveau zu begeben. Das waren genau deine Worte, und das ist der springende Punkt. Ich will wegen dieses Testaments nicht werden müssen, wie Dad war. Du hast mir selbst vorgehalten, dass ich ihm allmählich ähnlich werde.“
„Ich finde, Mitch hat recht“, schaltete Nadia sich ein. „Und ich muss sagen, mir selbst reicht es auch. Seit sechs Wochen sitze ich allein in dieser Penthouse-Wohnung, dazu verdammt, die Wände anzustarren. Ich darf ja nach Dads Willen nicht einmal das Haus verlassen, wann ich will. Ich komme mir vor wie in Einzelhaft. Aber was machen wir jetzt mit dir, Mitch?“
„Man kann da gar nicht viel machen“, antwortete er.
„Wenn du sie wirklich liebst, Bruder, dann wirf das nicht einfach weg. Nicht wegen Dad. Und unseretwegen auch nicht. Dafür ist Liebe etwas viel zu Kostbares.“
Mitch merkte, wie Rand neben ihm unruhig in seinem Sessel hin und her rutschte. „Aber wir werden durch meine Schuld alles verlieren …“, wandte er ein.
„Mach es trotzdem“, unterbrach ihn Rand abrupt. „Tu, was du tun musst. Der Teufel soll Dad und die Spielchen holen, die er mit uns veranstaltet.“
„Find ich auch, Mitch. Das ist dein Leben. Wir sind alle clever und qualifiziert genug, auch ohne KCL über die Runden zu kommen. Rand hat es in Kalifornien schon bewiesen. Wir haben es nicht nötig, jetzt noch nach Dads Pfeife zu tanzen.“
Mitch blickte zwischen seinem Bruder und dem Gesicht seiner Schwester auf dem Bildschirm hin und her. „Ihr werdet mich dafür hassen. Es muss euch doch wie Verrat vorkommen.“
Rand schüttelte den Kopf. „Gerade du bist von uns immer der Loyalste gewesen. Es wird wirklich Zeit, dass du an dich denkst.“
„Genau“, bekräftigte Nadia. „Jetzt bist du mal an der Reihe. Sag mir Bescheid. Dann kann ich endlich hier raus.“
Die Unterstützung seiner Geschwister rührte Mitch zutiefst. Er nickte. „Ich lasse euch wissen, wenn es so weit ist.“
„Ich freue mich schon darauf, Carly kennenzulernen“, erklärte Nadia. „Sie muss eine tolle Frau sein, wenn sie es geschafft hat, dich an die Angel zu bekommen. Viel Glück.“
„Danke, ich werde es brauchen.“
„Es wird schon gehen“, machte sich Carly halblaut Mut. „Es ist ja nicht das erste Mal.“
Nein, es war nicht das erste Mal, dass jemand ihr das Herz brach. Aber solche Schmerzen hatte ihr noch niemand zugefügt. Dennoch hatte sich Carly dazu durchgerungen, wieder gemeinsam mit Mitch zu essen. Sie tat es widerstrebend und allein Rhett zuliebe.
Carly hörte den Schlüssel in der Haustür und darauf Mitchs Schritte auf dem Marmorboden der Halle. Mit jedem Schritt, den Mitch näher kam, klopfte ihr Herz heftiger. In der Tür zum Wohnzimmer blieb er wie angewurzelt stehen. Er hatte nicht damit gerechnet, von Carly und Rhett hier erwartet zu werden.
„Mitt! Mitt!“, wurde er von Rhett sogleich stürmisch begrüßt.
Als Rhett auf ihn zugelaufen kam, legte Mitch die Aktenordner, die er in der Hand hielt, auf den Fußboden, um das Kind in die Arme zu schließen.
Carly beobachtete die Begrüßung der beiden und konnte angesichts dieser Szene ihre Rührung kaum verbergen. Es war nicht zu übersehen, dass Mitch seinen kleinen Halbbruder liebte. Dass er es inzwischen auch zeigen konnte, war ein beachtlicher Fortschritt. Wenigstens damit hatte Carly Erfolg gehabt.
Mitch sammelte die Papiere auf, hob Rhett
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