Wenn es Nacht wird in Miami
er sich wieder an Carly. „Ich zeige Ihnen inzwischen Ihre Räume.“
Eine junge blonde Frau erschien hinter Mitch und schlängelte sich eng an ihm vorbei. Ihre üppigen Kurven steckten in einer eng sitzenden Jeans und einem bauchfreien Top. Dazwischen war ein Bauchnabel-Piercing zu erkennen. Sie streckte die Hände nach Rhett aus. Die langen, tiefrot lackierten Fingernägel sahen gefährlich aus. „Komm her, Brett.“
„Rhett“, korrigierte Carly und trat entschlossen dazwischen. Beinahe wäre es dabei zu einem Zusammenstoß mit Mitch gekommen. Sie stand plötzlich so dicht vor ihm, dass sie seine Wärme spüren und sein Aftershave riechen konnte. Für eine Sekunde war sie wie benommen. Dann warf sie einen abschätzenden Blick auf die Blondine. „Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“
„Ich bin Ingrid, die Nanny.“
Das qualifizierte, erfahrene Kindermädchen, das Mitch angekündigt hatte, hatte Carly sich anders vorgestellt. Sie löste vorsichtig die Bügelfalte der Hose des Hausherrn aus Rhetts Faust. Als sie dabei Mitchs Bein berührte, spürte sie ein Zucken, und ihr stieg das Blut in die Wangen. Sie nahm Rhett hoch und wich schnell einen Schritt zurück.
„Ich sagte es schon: Rhett braucht keine Nanny.“
„Und wer kümmert sich um ihn, wenn Sie zur Arbeit gehen? Oder hatten Sie die Absicht, Ihren Job aufzugeben und ein Jahr lang auf meine Kosten zu leben?“, fragte Mitch scharf.
Carly gab sich Mühe, den unfreundlichen Ton zu ignorieren. „Rhett kommt zu Lucy, seiner Tagesmutter, wenn ich arbeiten gehe“, erklärte sie sachlich.
„Und wenn Sie abends ausgehen?“ Mitch sah sie durchdringend an.
„Ich gehe niemals aus.“
„Das kann sich schnell ändern. Sie brauchen nur jemanden kennenzulernen …“
Seit Marlenes Tod hatte sich Carly mit keinem Mann mehr verabredet, und sie hatte auch nicht vor, jetzt damit anzufangen. Aber das musste sie Mitch und diesem angeblichen Kindermädchen nicht auf die Nase binden. „Sollte ich doch einmal abends weggehen, werde ich einen Babysitter besorgen.“
„Wozu? Ingrid ist doch da.“
„Das ist doch lächerlich. Selbst wenn ich vier Mal in der Woche ausgehen würde, was ich ganz bestimmt nicht vorhabe, brauchen wir kein Kindermädchen.“ Sie blickte zu der jungen Frau mit der blonden Mähne. „Nicht persönlich gemeint. Aber Rhett hat gerade seine Mutter verloren. Jetzt kommt er wieder in eine neue Umgebung. Das ist schon mehr als genug für den Kleinen. Ich möchte nicht, dass er noch mehr Umstellungen verkraften muss.“
„Er wird sich schon eingewöhnen“, murmelte Mitch unwillig.
Carly sah ihm fest in die Augen. „Noch einmal zum Mitschreiben, Mr. Kincaid: Wenn wir hier einziehen, dann zu meinen Bedingungen. Ich habe nichts davon, aber für Sie steht allerhand auf dem Spiel.“
Ihr wurde bewusst, dass sie gerade mit Rhetts Erbteil pokerte. Aber sein Wohlergehen schien ihr dennoch wichtiger. Und dieses Möchtegern-Model, bei dessen Einstellung Mitch Kincaid vermutlich mehr auf die Oberweite als auf die Zeugnisse geachtet hatte, kam als Rhetts Nanny überhaupt nicht infrage. Kurz überlegte Carly, ob es nicht unfair war, jemanden nur nach seinem Äußeren zu beurteilen. Doch sie beruhigte sich schnell mit dem Gedanken, dass sie sich auf ihre Menschenkenntnis verlassen konnte. Schließlich hatte sie mit Lucy als Rhetts Tagesmutter eine ausgezeichnete Wahl getroffen.
Mitch war sichtlich wütend. „Wenn Sie uns einen Augenblick allein lassen wollen“, bat er Ingrid. „Ich habe mit Miss Corbin ein paar Worte zu wechseln.“
Als Ingrid gegangen war, deutete Mitch auf die Treppe, die in einem eleganten Bogen von der Halle hinauf ins Obergeschoss führte. „Ich zeige Ihnen bei der Gelegenheit schon mal Ihre Räume“, meinte er zu Carly und ging voran.
Allein diese Marmorhalle muss fast so groß sein wie mein Haus, dachte Carly. Während sie hinaufgingen, bewunderte sie Mitchs Rückseite. Schnell sah sie woandershin. Es konnte doch nicht sein, dass sie sich ausgerechnet von diesem Mann angezogen fühlte. Marlene hatte ihn einmal als hinterhältige Ratte bezeichnet, und so ähnlich hatte er sich bisher auch benommen.
Oben auf der Galerie und in dem sich anschließenden langen Korridor befanden sich alte Gemälde und antike Möbel, die gut in ein Museum gepasst hätten. „Meine Güte, wie groß ist dieses Haus?“, staunte Carly.
„Tausenddreihundert Quadratmeter Wohnfläche“, antwortete Mitch und hielt ihr den Flügel einer
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