Wenn Frauen kochen
ganze Nacht lang hatte sie die Nachrichten im Internet und auf ihren beiden Fernsehern verfolgt. Sie versuchte sich darauf vorzubereiten, dass die Vergangenheit wieder zum Leben erwachte.
»Manchmal besteht Leiden einfach nur darin, zu leiden«, erzählte sie Gus. »Es macht dich nicht unbedingt stärker. Es formt auch nicht deinen Charakter. Es tut einfach nur weh.«
»Ich weiß«, sagte Gus. Hannah war nahe daran, ihre Freundin zu umarmen, was sie dann aber natürlich nicht tat.
Seite an Seite schlürften sie ihren Kaffee, während die Arbeiter die Decke schrubbten, bis wieder eine makellos weiße Fläche zu sehen war und nichts mehr verriet, was passiert war.
Porter drängte das PR-Team, Aimees kleines Missgeschick als Teil einer speziellen Folge über Brandschutz zu verpacken.
»Das ist krank«, hatte Gus zu Porter gesagt, als der sie zu Hause anrief und ihr sagte, sie solle nicht ans Telefon gehen - für den Fall, dass die Presse dran war. »Warum sollte ich fast meine Küche abfackeln?«
»Wenn die Öffentlichkeit es uns abkauft, warum nicht?«, fragte er. »Hör zu, wir bekommen Anrufe aus dem ganzen Land. Ein brennender Wasserkocher hat dafür gesorgt, dass
alle auf Esst, trinkt und genießt aufmerksam geworden sind: von Entertainment Tonight bis zu CNN. Ganz davon zu schweigen, dass wir der Nummer-eins-Clip auf YouTube sind.«
»Na toll«, sagte Gus abfällig. »Passiert nichts Spannenderes auf der Welt? Wo bin ich da nur reingeraten? Mein Ruf ist ruiniert.«
»Nein, Gus, du begreifst einfach nicht«, widersprach Porter. »Damit ist dein Cool-Faktor in die Höhe geschossen.«
»Muss ich denn überhaupt cool sein?«
»Das müssen wir alle. So läuft das heutzutage mit dem Image. Du und Carmen und all die anderen, ihr werdet berühmt, weil ihr euch dämlich anstellt.«
Gus war sprachlos.
»Hör zu, Regis and Kelly wollen euch in ihrer Talkshow. Ihr sollt darüber sprechen, wie wichtig es ist, einen Feuerlöscher in der Küche zu haben«, erklärte Porter. »Ihr beiden werdet zusammen da hingehen - ein Herz und eine Seele, wie ich betonen möchte - und fröhlich und peppig auftreten. Und immer, wenn jemand euch fragt, ob die Frau, die das Feuer gelöscht hat, Hannah Joy Levine war, dann will ich, dass ihr beide lächelt wie die Mona Lisa - und schweigt.«
Die ganze Woche über traten Carmen und Gus im Frühstücksfernsehen und bei Late Night Talkshows auf. Außerdem hatte man sie gedrängt, »hinter den Kulissen«-Blogs für die CookingChannel Website zu schreiben. (Gus schrieb jede Menge zuckersüße Unwahrheiten über Carmen, während Hannah Lakritzschnecken naschte und den Text über Gus’ Schulter hinweg redigierte.)
Alan hatte ihnen sogar über Porter ausrichten lassen, dass sie beide als Juroren in der nächsten Episode Königreich Küche auftreten sollten, einer anderen Sendung des CookingChannel.
Hier wetteiferten jeweils zwei Teilnehmer darum, ein Gericht aus Überraschungszutaten zu kochen und die Krone als »Königlicher Chefkoch« zu gewinnen. Die Sendung gehörte nicht gerade zu Gus’ Favoriten, was sie aber bisher für sich behalten hatte.
»Ich nehme mal an«, sagte sie zu Porter, »dass die geheime Zutat Tintenfisch sein wird«, sagte sie spitz, konnte sich dann aber ein Grinsen nicht verkneifen.
»Das ließe sich sicher einrichten, wenn du darauf bestehst«, antwortete Porter scherzend.
»Nein, danke«, lehnte Gus ab. »Carmens Tintenfisch-Attacke hat mir gereicht. Es wird eine Weile dauern, bis ich Calamares wieder genießen kann.«
Bei Königreich Küche wurden die beiden Gastgeberinnen von Esst, trinkt und genießt nebeneinandergesetzt. Seit mehr als einer Woche waren sie jetzt wie aneinandergekettet. Mit grimmiger Miene hockten sie da, bis sie merkten, dass die Kamera zu ihnen herüberschwenkte. Und wie auf Knopfdruck bleckten beide die Zähne, strahlten in die Kamera und bewegten die Lippen, als wären sie in eine tiefschürfende kulinarische Diskussion vertieft. Doch in Wahrheit hatten sie sich nichts zu sagen.
Jeffrey Steingarten, der Restaurantkritiker der New York Times , vervollständigte die Runde der Juroren und betrachtete das wortlose »Reden« der beiden verblüfft. Er bezeichnete sie als zwei komische Vögel, was Gus peinlich war und sie ziemlich ärgerte. Also behauptete sie, sie müsse ihre Stimme schonen für die Momente, wenn sie auf Sendung war.
Der Vorwochen-Gewinner von Königreich Küche , dem ein Restaurant in Chicago gehörte, trat heute gegen
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