Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
meinem eigenen Land und meiner Kultur empfand ich die Diskrepanz zwischen meinen eigenen Werten und einem Leben als MN sogar noch stärker. Als ich in Manila arbeitete, lenkte mich der Kampf der Menschen auf dem Müllberg von meinem eigenen inneren Aufruhr ab - ihnen zu helfen, gab meinem Leben einen Sinn. In Bourke traten die Unstimmigkeiten noch deutlicher hervor. Ich hatte die Aufgabe, Aboriginekinder am Sonntag zur Messe zu holen, eine Schikane, wie ich heute erkennen kann. Ich wurde losgeschickt, um beim Metzger
vor Ort um Fleisch zu betteln, als hätten wir kein Geld gehabt, es einfach zu kaufen.
Wieder teilte ich meine Verwirrung Schwester Gabrielle in einem Brief mit, die jedoch nicht wusste, was sie mir darauf antworten sollte, und mich tröstete, indem sie schrieb, wenn die Kreuzigung Christi zu Gottes Plan gehöre, dann auch diese kleineren Rückschläge, die wir alle einstecken mussten. Sie meinte, sie kenne die Gründe nicht, die zu meiner Versetzung nach Bourke geführt hatten, und wisse auch nicht, was zwischen Hongkong und Manila besprochen worden sei, schrieb, dass die Gemeinschaft eher durch Kräfte, die im Inneren wirkten, zerstört werden könne als durch äußere Angriffe. Sie ermutigte mich: »Verfolge deine Vision und halte deine Antennen intakt.« Ihre Antwort legte für mich den Schluss nahe, dass sie begriff, was ich durchmachte, und auch nicht der Meinung war, es läge an mir. Bis zu diesem Brief hatte jeder Versuch, mit meinen Vorgesetzten über meine Probleme zu reden, die ich mit der Gemeinschaft hatte, einen Vortrag über meinen Stolz, mein mangelndes Vertrauen und ungenügende Demut zur Folge gehabt. Ich hatte jegliches Vertrauen in die Art und Weise verloren, wie die Gemeinschaft geführt wurde. Im August 1983, zwei Monate nach meiner Rückkehr nach Australien, konnte ich meinen Wunsch, die Gesellschaft zu verlassen, nicht mehr länger unterdrücken und besprach mich eines Abends mit Schwester Patience. In Vorbereitung auf meinen zukünftigen Abschied hatte ich mir bereits die Haare wachsen lassen. Sie flehte mich an, es doch noch mal zu versuchen, und vereinbarte ein Treffen mit einem Priester, der meinte,
dass mein Wunsch zu gehen, das Resultat eines »bösen Geistes« war. Ich glaubte nicht an böse Geister, und so fragte er mich: »Was möchten Sie denn tun, wenn Sie gehen? Wo würden Sie wohnen?« Ich wusste schon seit Monaten, ja, schon seit Jahren, was ich darauf antworten würde. Ich sagte ihm, ich würde mir in Sydney eine Wohnung oder ein Zimmer suchen und eine Ausbildung als Krankenschwester oder Ärztin anfangen, und ich würde mich für Austudy bewerben, ein Projekt, das minderbemittelten Australiern half, einen Abschluss zu bekommen.
Er belehrte mich: »Sie sollten sich auf ein Nichts reduzieren; nach der Logik des Evangeliums müssen Sie Ihr Leben verlieren, um es wieder zu finden. Ihre Idee, Medizin zu studieren, ist unrealistisch und nur eine versteckte Form von Stolz, um zu zeigen, dass Sie etwas leisten können, aber offen gestanden halte ich das für einen unmöglichen Traum. Sie reagieren nur auf das Gefühl, innerhalb der Gesellschaft versagt zu haben, aber vergessen Sie nicht, Gott benutzt die Schwachen, um die Starken zu verwirren.«
Schwester Margaret, die Vorgesetzte meiner Region, kam auf Besuch nach Melbourne und schrieb einen Bericht nach Kalkutta. Sie überredete mich, noch eine Weile länger zu bleiben, also schnitt ich mir wieder meine Haare, aber es war sinnlos. Ich konnte nicht bleiben. Während meiner Arbeit im Gemüsegarten hatte ich alles durchdacht: Ich wusste, dass ich gehen musste.
Ich suchte den Arzt wegen Schmerzen in meinem Nacken und meiner linken Schulter auf. Probleme hatte ich damit seit Manila, wo ich viele Säcke Maismehl auf dieser
Schulter hatte schleppen müssen. Wahrscheinlich eine Zerrung, Arthritis oder ein Muskelkrampf.
Der Arzt fragte mich ganz direkt: »Sind Sie glücklich?«
»Nein, bin ich nicht. Ich glaube nicht, dass ich noch länger als Schwester leben kann.«
Seltsamerweise verordnete er mir daraufhin Tabletten, die es mir unmöglich machten, morgens um zwanzig vor fünf aufzustehen.
Ich sprach mit Schwester Patience. »Schwester, ich möchte die Tabletten nicht nehmen, die der Arzt mir verschrieben hat.«
»Du musst, Tobit.«
»Es ist kein Medikament für meine Schulter. Es sind Beruhigungsmittel, weil der Arzt meint, ich sei verkrampft und verspanne deshalb meine Schulter. Ich werde morgens nicht wach wegen
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