Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
Vom Netzwerk:
dünnen Attrappen, die sich in Dubliner Wohnungen Wände schimpften.
    »Äh, ja«, räumte Dara ein, als ihr klar wurde, dass eine Reaktion von ihr erwartet wurde.
    »Lasst uns betreten die ’öhle«, verkündete Mme Dupoint und wedelte theatralisch mit den Armen. Sie ging voran und setzte sich auf einen der Stühle. Die Sitzfläche war kaum breit genug für eine ihrer Pobacken.
    Dara und Stanley traten ebenfalls ein.
    Erst jetzt bemerkte Dara die unzähligen gerahmten Fotos an den Wänden. Schwarzweiße und sepiabraune, teils verblasst oder verschwommen, die meisten jedoch gestochen scharf.
    Und jedes einzelne zeigte Mr. Flood.
    Mr. Flood auf dem Eiffelturm.
    Mr. Flood vor einem Café in Montmartre, rauchend.
    Mr. Flood auf den Champs-Elysées, die Hände in den Jeanstaschen vergraben, eine Zigarette im Mundwinkel.
    Mr. Flood am Ufer der Seine, mürrisch auf die breite Wasserfläche hinausstarrend.
    Dara betrachtete fasziniert jedes einzelne Foto. Es fühlte sich an, als würde man ihr einen Fremden vorstellen, der ihr irgendwie bekannt vorkam. Sie erkannte sich in allen Bildern wieder. Die dunkelblauen Augen, die eher lang als groß waren. Das rabenschwarze Haar, das er damals länger
getragen hatte als Dara ihres heute. Das kleine Gesicht. Die blasse Haut. Selbst seine Finger, die stets eine Zigarette hielten, waren wie die ihren, die Fingernägel abgekaut, genau wie bei ihr.
    Auf jedem Foto eine Frau, groß und schlank. Elegant. Blass. Schwarzes Haar, zu einem komplizierten Knoten hochgesteckt; einige lose Strähnen, die das herzförmige Gesicht umrahmten. Gut geschnittene Kleider, ein Pashmina-Schal, ein Umhängetuch, eine Stola.
    »Das sind Sie, richtig?«, sagte Stanley zu Mme Dupoint.
    Sie nickte.
    Dara sah von Mme Dupoint zu der Frau auf den Fotos. Das Einzige, was die beiden gemeinsam hatten, war das goldene Medaillon.
    »Isch war so schön damals.« Mme Dupoint blickte an sich hinunter und schüttelte den Kopf, als würde ihr Körper einem anderen Menschen gehören. Einem, den sie nicht besonders gern hatte.
    Dara betrachtete noch einmal die Fotos und nickte. Mme Dupoint war tatsächlich eine richtige Schönheit gewesen. Eine, die Tintin mit Fug und Recht als typische Französin bezeichnet hätte. Auf jedem Foto ruhte ihr Blick auf Mr. Flood. Ein Blick voller Liebe, Vertrauen, Hoffnung und Zuversicht. Dara wusste, wohin solche Blicke führten. Sie kannte sie von alten Fotos ihrer Mutter. Das Licht, das in derart verliebten Augen strahlte, war wie eine Kerze im Wind – es konnte jederzeit verlöschen.
    »Was ist passiert?«, fragte Dara. Sie ging neben Mme Dupoint in die Hocke und legte ihr eine Hand auf den dicken, fleischigen Arm. Eine vertrauliche Geste, die sie selbst überraschte und die sich zugleich irgendwie richtig anfühlte. Dara spürte, dass sie etwas mit dieser Frau verband.
Eine gewisse Solidarität, basierend auf ihren Erfahrungen mit Eugene Flood.
    Mme Dupoint lächelte sie an. »Er ’at manchmal von dir erzählt, von deiner Familie, von dem kleinen ’aus in der Ra’eny Road. Und er ’at erzählt, was er angestellt ’at. Isch ’abe ihm gesagt, er soll zurückgehen, obwohl isch es nicht wollte.«
    Dara hatte Mühe, diese Informationen zu verarbeiten. Und sie hatte tausend Fragen.
    Mme Dupoint ebenfalls. »Wie ’abt ihr misch gefunden?«
    »Ihr Name stand auf dem Kautionsantrag aus dem Jahr 2001.«
    Mme Dupoint schloss die Augen und zog ihren Umhang enger um sich, als würde sie frieren. »Das war das letzte Mal, dass isch ihn gesehen ’abe. Isch ’abe die Kaution bezahlt, bin mit ihm nach ’ause gegangen und ’abe ihm ein Croque Monsieur und eine Brennnesselsuppe gemacht. Die ’at er geliebt, weil sie ihn daran erinnert ’at, wie seine Mutter im Frühling mit ihren gelben Gummi’andschuhen Brennnesseln gepflückt ’at.« Sie stemmte sich mit einem wehmütigen Lächeln vom Stuhl hoch und ging zu einem Foto, das neben einem verdunkelten Fenster hing. »Dann ’at er gesagt, er geht eine Schachtel Gauloises ’olen. Isch ’abe ein Foto von ihm gemacht, von diesem Fenster aus. Als ’ätte ich es geahnt.«
    »Was?« Dara betrachtete das Foto. Es zeigte Mr. Flood mit einer Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger. Sein seidiges schwarzes Haar wehte im Wind.
    Mme Dupoint lächelte traurig und schüttelte den Kopf. »Dass er nischt zurückkommen würde«, sagte sie schlicht. Es klang so banal. So unabwendbar.
    »Wissen Sie, wohin er gegangen ist?«, fragte Stanley.
    »Nein. Isch

Weitere Kostenlose Bücher