Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Titel: Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
Vom Netzwerk:
vorbei. Wir sind durchnässt, die Kälte nimmt spürbar zu, wir brauchen schnellstens eine Stärkung. Eine Raststätte taucht auf, an der wie immer sowohl die Autos als auch die Menschen Energie tanken können. Unter vielfachen Entschuldigungen drängeln wir uns vor in den kleinen Supermarkt. Wir hängen unsere triefenden Regenanzüge auf, trocknen uns mit einer Rolle Küchenpapier die Haare und setzen uns auf einen Getränkekasten, um einen Hotdog zu vertilgen. Unsere Hände sind so eisig, dass Andrea Mühe hat, das Brötchen zu halten. Doch kaum ist er etwas gestärkt, umarmt er mit ein paar Verrenkungen einen Typen, der hereinkommt, um seine Benzinrechnung zu begleichen. Erschrocken zuckt der Mann zusammen, das hatte er nicht erwartet: okay, autistic guy, no problem. Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand im ersten Moment den Impuls hat, dem Jungen eine Ohrfeige zu verpassen. Viele lächeln jedoch verständnisvoll. Wenn sie merken, dass Andrea zu mir gehört, sprechen mich manche Leute auch an, um Näheres über ihn zu erfahren, und so entstehen wertvolle Kontakte. Es weckt oft tiefes Mitgefühl, wenn sie sehen, wie ich mich bemühe, zwischen zwei Welten zu vermitteln. Da Andrea sich allen gegenüber so verhält, lernen wir Leute jeder Art kennen: große, kleine, blonde oder brünette, dünne und dicke, junge und ältere, Männer und Frauen.
    Am Nachmittag bessert sich das Wetter. In der vom Regen gereinigten Luft sind die rostigen Rottöne der Felsen noch schöner.
    Endlich erreichen wir Grand Junction und mieten uns in einem anonymen, hellerleuchteten Motel an der Straße ein. Bequemer Parkplatz vor der Kasse, Papiere, Geld. Selbstsicher lässt sich Andrea den Schlüssel aushändigen, er macht es gut, inzwischen weiß er Bescheid.
    Im erstbesten Lokal essen wir Pizza und nehmen danach in einer Papiertüte ein paar Getränke mit ins Motel. Gestern haben wir mehr als genug über die Stränge geschlagen und das Nachtleben in vollen Zügen genossen, heute ist Ruhe angesagt.
    Ich versuche, Andrea zum Schreiben zu bringen, das ist anstrengend für ihn, ich weiß. Erst tippe ich eine Frage, dann stelle ich mich hinter ihn, berühre seine Schulter. Er starrt auf den Bildschirm. Ich möchte so gern, dass er antwortet, aber nicht nur mit wenigen Worten, und komme auf die dumme Idee, ganz leicht seine Hand zu nehmen, um sie auf die Tastatur zu führen, wie seine Mutter es vor ein paar Jahren machte. Er lässt es zu, dass ich seine Hand nehme, doch schreiben tut er nicht. Verwirrt blicke ich auf meine Frage:
Ciao Andrea, hast du heute unterwegs Angst gehabt?

Staunen
     
    Es regnet. Durch die Fenster unseres Zimmers blicke ich nach oben und suche nach dem Punkt, an dem die Tropfen erscheinen. Lautlos sind sie Hunderte von Metern gefallen.
    Es ist noch früh. Also abwarten, irgendwann muss es ja aufhören. Andrea, im Bett, reibt sich ständig die Augen. Sie sind gerötet. Es wird doch keine Bindehautentzündung sein? Das konnte ja nicht ausbleiben, Andre, wenn du dich so darauf versteifst, keine Brille aufzusetzen. Dann hast du es so gewollt!
    Ich suche die Tropfen, träufle sie ihm in die Augen, zeige ihm die Brille und sage: Wehe, wenn du sie nicht aufsetzt! Gegen acht können wir dann losfahren. Für wenige Minuten begleitet uns noch ein leichter Regen, der verdampft. Es ist kälter als gestern, doch das Wetter ist gut, und ich vermute, dass sich die Luft im Lauf des Tages erwärmt. Wir tragen unsere gesamte Garderobe am Leib: T-Shirts, Pullover, Windjacken und Regenanzüge. Die Reisetaschen sind praktisch leer.
    Nach ein paar Kilometern trifft die Straße auf den Colorado, und der Fluss leistet uns eine ganze Weile Gesellschaft, er schlängelt sich die Canyons entlang, und wir legen uns in die weiten Kurven, die den Flusswindungen folgen. Allmählich verändert sich die Landschaft, wir kommen von Colorado nach Utah, nur noch vereinzelt ragen jäh hohe Berge auf, der Rest ist Ebene, so vollkommen waagrecht, dass sie aussieht wie gezeichnet. Über viele, viele Kilometer fühlen wir uns wie in einem Comic. Fast haben wir den Verdacht, dass die gelegentlichen Bemerkungen, die wir austauschen, in Sprechblasen erscheinen. Unglaublich, wie vertraut einem Amerika durch die Filme vorkommt, als wäre das ganze Land nichts als eine endlose Sequenz von Szenen und Kulissen, deren Anblick wir schon tausendmal mit einer Eintrittskarte für das Gemeindekino mit erstanden haben.
    Doch auf das Schauspiel von Monument Valley waren wir

Weitere Kostenlose Bücher