Wenn ich in deine Augen seh (Bianca) (German Edition)
diesem Haus aus faxen, damit Sie nichts heimlich ändern können.“ Seine Miene wirkte resolut. „Und Ash soll entscheiden, ob er Ihnen das Cottage vermieten will oder nicht.“
Erleichterung zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Vielen Dank.“
Er nickte ihr knapp zu und wandte sich dann ab.
Allmächtiger Gott! dachte Ashford. Verliert der alte Mann den Verstand? Noch vor einer Woche hat er vehement darauf beharrt, seine Geheimnisse zu bewahren. Und jetzt?
Fest entschlossen, die Beweggründe seines Vaters zu ergründen, öffnete er die Haustür und wartete ungeduldig, während Rachel ihrem Sohn den Mantel anzog.
Die Szene weckte Erinnerungen an Susie und die kleine Daisy. Das Mädchen hatte einmal mit sieben Jahren die Hände ihrer Mutter abgeschüttelt und erklärt, dass sie sich schon ganz allein anziehen konnte. Charlie dagegen ließ sich bereitwillig helfen.
Rachel richtete sich auf. „Es tut mir leid, dass ich Unruhe in Ihre Familie gebracht habe.“
Ihm fiel auf, dass ihre Augenbrauen dunkel und geschwungen waren wie die Flügel einer Schwalbe. Eine Windbö wehte ihr eine Haarsträhne über die sinnlichen Lippen. Er ballte die Hände in den Taschen seiner Jeans, als er sich unwillkürlich ausmalte, sie zu küssen. „Entschuldigung angenommen.“
Sie zog sich die Handschuhe an. „Nun denn.“
Er vermutete, dass sie nicht erwartete, wieder von ihm zu hören. „Man sieht sich.“
Vom Bürofenster aus beobachtete Tom, wie Ashford über den verschneiten Hof ging. Die Hunde stürmten aus ihrem Versteck und hefteten sich ihm an die Fersen.
Er ist ein guter Mann, mein Stiefsohn. Ein ergebener Vater, ein engagierter Rancher. Ein stolzer Mann. Und im Augenblick sehr verärgert.
Sobald Rachel abgefahren war, hatte er zu wissen verlangt, warum Tom nach all den Jahren des Schweigens ausgerechnet einer Reporterin sein Herz ausschütten wollte, warum er seine Erlebnisse nicht einfach selbst für Daisy aufschrieb oder ihr davon erzählte.
Ashford konnte nicht ahnen, dass Rachel Brant der Schlüssel zur Vergangenheit war – zu ihrer eigenen Geschichte, zu der von Tom und zu seiner eigenen.
Tom hätte alle Geheimnisse mit ins Grab nehmen können. Doch nun war Rachel gekommen und er durfte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, sich mitzuteilen. Sechsunddreißig Jahre des Schweigens waren lang genug. Verdammt, die fünf Jahre nach Susies Tod sind noch dazu lang genug!
Ashford mochte es gar nicht, wenn man ihn drängte, nach vorne zu blicken. Eigentlich war es seine Entscheidung, ob und wann er die Vergangenheit hinter sich lassen wollte.
Wie es meine Entscheidung ist, mit Hells Field abzuschließen, dachte Tom. Aber manchmal muss ein Mann seinem Nachwuchs eben einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben …
Er hoffte für Daisy und den Jungen, dass Ashford das Cottage an Rachel vermietete, obwohl ihre Fragen alte Wunden aufreißen und Kummer heraufbeschwören mussten.
Der Schneefall verstärkte sich. Jeden Tag räumte Ashford den Hof, damit Tom mit seinem Elektrorollstuhl zu den Stallungen gelangen und sich die neugeborenen Kälber ansehen konnte. Und auch das wirkte auf gewisse Weise bedrückend.
Er erinnerte sich an eine Zeit, die er vergessen wollte. Sie hatten lang genug in einem trauernden Haus gelebt. Susies Bilder überall dienten längst als Staubfänger. Das Cottage lag einsam und verlassen da. Das Wanderreiten, einst florierender Sommerbetrieb, war eingestellt worden.
Ein halbes Jahrzehnt des Schweigens, der Angst, dass ein Wort oder ein Name erneut Narben aufbrechen konnten.
Stille kann keinen Kummer heilen. Keine zersplitterten Gliedmaßen reparieren. Keine schlimme Erinnerung auslöschen.
Davon konnte Tom ein Lied singen.
Rachel Brant wird unser Leben verändern – und damit auch ihr eigenes. Sie hat die Gestalt und die Augen ihrer Mutter, den Mund und die Haare ihres Vaters. Ja, sie wird die Fakten aufdecken. Wir alle werden die Wahrheit verstehen lernen.
Das spürte Tom förmlich in den Knochen.
Der richtige Moment war gekommen.
3. KAPITEL
Unschlüssig trommelte Rachel mit den Fingern auf ihrem Schreibtisch in der Redaktion. Sollte sie auf der Flying Bar T wegen des Gästehauses anrufen? Es war bereits Mittwoch. Am Vortag hatte der schmierige Geschäftsführer des Motels verlangt, dass sie das Zimmer für einen ganzen Monat mietete. Ihr graute bei der Vorstellung, dass Charlie noch länger in dem schmuddeligen Zimmer schlafen musste.
Um kurz vor drei Uhr rief sie auf
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