Wenn ich in deine Augen seh (Bianca) (German Edition)

gezerrt und eine leichte Nierenquetschung davongetragen. Zum Glück keine Knochenbrüche, sodass er weder einen Gips noch Krücken brauchte. Im Krankenhaus hatte man ihm einen elastischen Verband angelegt und dem Bein eine Woche Schonzeit verordnet – die er natürlich nicht wirklich einhielt.
    Sie drehte sich zu Charlie um. „Ich dachte, du willst Feuerwehrmann werden!?“ Nach dem Brand im Cottage hatte der Junge den sehnlichen Wunsch geäußert, ein Held zu werden.
    „Bei der Feuerwehr lerne ich doch nicht reiten , aber das muss man können, wenn man ein Rancher sein will. Ash sagt, dass ich schon echt gut bin. Stimmt’s, Ash?“
    „Stimmt genau, Kumpel.“
    Charlie sprang auf den Hocker beim Telefon und drehte sich übermütig im Kreis. „Siehst du? Hab ich doch gesagt!“
    Sein Enthusiasmus belustigte sie, doch sie fragte mit ernster Stimme: „Hörst du auch genau zu, wenn er dir etwas erklärt?“
    „Na klar! Weil er gesagt hat, dass das wichtig ist, damit mir nichts passiert.“
    „Dann ist es ja gut. Aber denk auch daran, wenn du in der Schule bist.“
    Charlie verzog das Gesicht. „Das ist doch was ganz anderes.“
    „Wieso denn?“
    „Da lernt man nichts über Rinder und Pferde und so.“
    „Trotzdem musst du da auch gut aufpassen.“
    „Aber hier ist alles viel leichter und macht viel mehr Spaß.“
    „Nein, mein Sohn, das stimmt nicht“, widersprach Rachel. „Das Leben auf einer Ranch ist sehr hart und man muss ganz genau wissen, was zu tun ist. Du brauchst eine gute Ausbildung, wenn du ein bisschen wie Ash werden willst. Also musst du im Unterricht immer gut aufpassen.“
    Er wandte sich an den Mann, den er bewunderte. „Stimmt das?“
    „Eine gute Ausbildung ist wirklich sehr wichtig“, bestätigte Ashford nachdrücklich, „damit du es später mal leichter hast. Also tu, was deine Mom dir sagt.“ Er spähte zum Eintopf. „Wo steckt eigentlich Inez?“
    „Sie massiert deinen Vater. Seine Hüfte macht ihm zu schaffen.“
    „Deswegen kochst du heute?“
    Sie nickte und trug Charlie auf: „Geh dir die Hände waschen.“
    Gehorsam sprang der vom Hocker und lief hinaus.
    Sie lächelte Ashford an. „Kochen ist das Mindeste, was ich tun kann – nach allem, was du für meinen Sohn tust.“
    „Ihm das Reiten beizubringen, ist doch keine große Sache.“ Er trat näher und schnupperte an dem dampfenden Topf. „Das riecht himmlisch. Versuchst du’s etwa mit dem Motto Liebe geht durch den Magen ?“
    Wenn ich dafür nichts weiter tun muss … Der Gedanke tauchte ganz unverhofft aus dem Nichts auf: Aber für dich gibt es nur eine Frau, und die bin nicht ich!
    Die unzähligen Fotos von Susie im ganzen Haus und das gleichzeitige Redeverbot über sie bewiesen es doch, dass sein Herz immer noch seiner verstorbenen Frau gehörte.
    Er beugte sich zu Rachel und flüsterte ihr zu: „Du bist ja ganz rot geworden.“
    „Das liegt an der Hitze.“ Oh, sehr missverständlich ausgedrückt. „Vom Ofen!“, stellte sie klar.
    Er schmunzelte. „Wenn du meinst.“
    Ich bin nicht bloß dein Sexspielzeug, dachte sie. Trotzdem ließ sie sich leidenschaftlich küssen und wehrte sich auch nicht, als er ihre Brüste anfasste.
    In diesem Moment, mitten in der Küche, wurde ihr bewusst, dass sie sein Verlangen immer erwidern würde, ganz egal, ob seine tote Frau von unzähligen Fotos aus zusah oder nicht.
    Ashford wusste, dass er Rachel mit dem Kuss in der Küche überrumpelt hatte – genau wie sich selbst.
    Er blickte sie über den Tisch hinweg an und glaubte, erneut ihre Lippen zu schmecken. Aromatischer als der Eintopf, den sie gekocht hatte, und süßer als der Apfelkuchen, den sie vor zehn Minuten aus dem Backofen geholt hatte.
    Sie verstand sich darauf, einen Mann mit ihren Speisen zu verwöhnen und mit ihren Lippen zu erfreuen – ihren Küssen nach zu urteilen.
    Er fragte sich, wie ihre Beziehung zu Charlies Vater ausgesehen haben mochte. Hatte sie ihn mit dem Mund befriedigt? Offensichtlich war die Beziehung leidenschaftlich gewesen. Sonst wäre das Kind nicht da.
    Herrje, schalt er sich, was ist bloß in mich gefahren? Rachels Verflossene gehen mich überhaupt nichts an. Doch der Gedanke, dass sie einen anderen Mann küsste, anfasste und sogar liebte, machte ihm ziemlich zu schaffen.
    Und eines Tages wird sie diesen Weg gehen  – mit ihrem Sohn in eine andere Stadt ziehen, bei einer anderen Zeitung anfangen, einen anderen Mann kennenlernen.
    Wenn dieser Tag kam, musste Ashford sie gehen