Wenn ich in deine Augen seh (Bianca) (German Edition)
lassen. Denn er wollte kein schlechtes Vorbild für Charlie sein, der die Schule ohnehin schon auf die leichte Schulter nahm. Außerdem sollte Rachel nicht wissen, dass er selbst gar keine gute Ausbildung besaß. Wenn sie von meiner Leseschwäche erfährt, ist es aus. Sie wird mich fertigmachen. Genau wie Susie damals.
Dieses Risiko wollte er nie wieder mit einer Frau eingehen. Schon gar nicht, wenn ich diese Frau wirklich liebe.
Vor Schreck schoss er beinahe von seinem Stuhl hoch. Welch abwegiger Gedanke! Er liebte Rachel doch nicht. Er mochte sie, genoss ihre Gesellschaft, hielt sie für hübsch. Ihm gefielen ihre Augen, ihr Duft, ihre Art und Weise zu küssen. Doch die Tatsache, dass er in ihrer Gegenwart fast ständig erregt war, hatte nichts mit Liebe zu tun. Es war eine normale männliche Reaktion auf eine überaus reizvolle Frau. Nicht mehr und nicht weniger.
„Dad?“
„Hm?“ Vor lauter Beschäftigung mit Rachel war ihm entgangen, dass Daisy ihn angesprochen hatte. Dabei saß sie direkt neben ihm. „Entschuldige. Was hast du gesagt?“
Sie kicherte. „Du warst ja eben total weggetreten! Ich hab gefragt, ob ich einen Ersatz für dich beim Fest besorgen soll, falls dein Bein noch zu sehr weh tut.“
„Was für ein Fest?“
Sie seufzte theatralisch. „Das Schulfest am Freitag! Du hast doch versprochen, eine Schicht lang die Aufsicht zu übernehmen.“
„Ach ja.“ Er räusperte sich. Er hatte die Veranstaltung fast vergessen, weil es wegen seiner Schonfrist auf der Ranch drunter und drüber ging. „Es wird schon gehen. Wann fängt das Fest an?“
„Du sollst um sieben da sein. Genau wie Rachel.“
Vom Kopfende des Tisches aus verkündete Tom: „Dann könnt ihr ja zusammen hinfahren.“ Hastig, weil Ashford ihn finster ansah, fügte er hinzu: „Das spart Benzin.“
Zögerlich fragte Daisy: „Kann ich bei Beau mitfahren?“
Beau hatte im letzten Sommer den Führerschein gemacht und schien ein umsichtiger Fahrer zu sein, soweit Ashford es beurteilen konnte. „Ist sonst noch jemand dabei?“
Sie hielt den Blick auf ihren Teller geheftet. „Jay Danner. Er ist auch im Festausschuss.“
„Ein guter Junge!“, warf Tom ein.
Noch einmal strafte Ashford ihn mit einem unmutigen Blick. Ich komme allein mit meiner Tochter klar, alter Mann. Zu Daisy sagte er: „Geht in Ordnung.“
Charlie flüsterte Rachel zu: „Kann ich auch mitfahren, Mom?“
„Aber du willst doch bei Tyler übernachten. Der wäre schön enttäuscht, wenn du jetzt absagst.“
„Ach ja, das hatte ich ganz vergessen.“ Charlie nickte zufrieden.
Geflissentlich beschäftigte Ashford sich mit seinem Apfelkuchen. Freitagabend allein mit Rachel. Und bis dahin sollte laut Auskunft der Handwerker das Cottage wieder bezugsfähig sein …
Er wusste nicht, ob er vor Freude jubeln oder sein Schicksal verfluchen sollte.
Gedankenverloren saß Rachel an ihrem Schreibtisch in der Redaktion. In den letzten vier Tagen, seit Charlie von Ashford Reitunterricht bekam, konnte sie vor Nervosität kaum noch essen und schlafen.
Der kleine Junge lief dem großen Mann auf Schritt und Tritt hinterher. In die Stallungen, auf die Weiden, über den Ranchhof. Er heftete sich seinem Helden an die Fersen wie ein Schatten. Und er war unermüdlich dabei.
Setz bloß nicht alles auf eine Karte, mein Kleiner. Sie seufzte tief. Sie selbst war gerade erst dabei, diese Lektion zu lernen und dementsprechend zu handeln.
Auf ihrem Nachttisch lag ein dicker Stapel ausgedruckter Seiten. Fast zweihundertvierzig Stück. Genug für ein Buch, falls sie sich dazu entschloss. Falls American Pie die Artikelserie ablehnte. Falls Tom seine Einwilligung zurückzog.
Die Idee, Schriftstellerin zu werden, kristallisierte sich immer mehr heraus. Als Buchautorin konnte sie nämlich an einem einzigen Ort leben. In einem beliebigen Städtchen, das Gemeinschaft, Freunde und das Gefühl bot, dazugehören zu können. In einem Häuschen mit einer Spielwiese für Charlie und dessen Kumpane. Und mit einem Garten; wie gerne hätte sie gelernt, Blumen zu züchten, Gemüse und Obst anzubauen und die Früchte einzukochen.
Sie hätte gern an einem Ort gewohnt, in dem die Leute auf der Straße einander mit aufrichtigem Interesse fragten: Na, wie geht’s? In dem man ohne Angst von der Arbeit oder der Schule nach Hause spazieren konnte. In einem Ort wie Sweet Creek.
Doch sie wollte nicht an Ashford denken und nicht daran, was es bedeuten konnte, sich in seiner Stadt niederzulassen. Ich
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