Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
würden, bliebe überhaupt keine Zeit mehr, uns um die ernsthaften Verletzungen zu kümmern.«
Anya unterließ es, dem erfahrenen Arzt die Ernsthaftigkeit einer Gehirnerschütterung zu erklären und ihn vor versammelter Mannschaft zu demütigen, sie nahm seine Ansicht aber sehr wohl zur Kenntnis. »Es gibt also keine vollständigen Patientenakten über die Dauer einer ganzen Spielerlaufbahn?«
Rosseter verstand offenbar, worauf sie hinauswollte. »Medizinische Befunde bleiben vertraulich, zudem wird nicht jeder Vorfall aufgezeichnet oder vom Mannschaftsarzt als signifikant betrachtet. Eine schlechte Akte kann die Rendite beeinträchtigen, die ein Spieler auf dem Transfermarkt bringt.«
Anya fasste nicht, was sie da hörte. Buffet verlangte von seinen Spielern unbedingte Loyalität und behandelte sie zugleich wie Gegenstände, die man beim ersten Anzeichen der Abnutzung verkauft oder wegwirft.
»Diese Männer sind doch keine Gebrauchtwagen, die man abstößt, sobald sie nicht mehr die volle Leistung bringen.« Wieder wurde das Barbarische dieses Sports ihr schmerzlich bewusst, nur lag es diesmal nicht am Verhalten der Spieler. Reihum sah sie die Verantwortlichen am Tisch an.
»Das kann man uns schwerlich zur Last legen, solange es alle anderen genauso machen«, behauptete Buffet. »Also weiter.«
»Tut mir leid, aber das geht nicht. Jansons Gehirn war schwer geschädigt, und deshalb werden die Anwälte in diesem Punkt nicht lockerlassen.« Sie berichtete den Anwesenden, was sie über CTE und den vorläufigen Befund wusste, den sie mit Dr. Gail Lee besprochen hatte. Als Nächstes erläuterte sie die Symptome – Depression, Aggressivität, Drogenmissbrauch, Vergesslichkeit bis hin zur Demenz – und berichtete schließlich von der Studie, die Roman Bronstein und Harrison Leske an der Columbia University durchführten.
Pope erwachte zum Leben. »Die Hälfte unserer Bevölkerung weist diese Symptome auf.«
Er sah sich um, als warte er auf beifälliges Lachen. Niemand war amüsiert. »Und was CTE angeht, das wurde in vereinzelten Fällen bei Boxern nachgewiesen, aber es gibt keine Anzeichen, dass Footballer dafür anfällig sind. Es kann ebenso gut sein, dass das nur bei Sportlern auftritt, die bereits eine geistige Vorschädigung haben, oder als Folge von Drogenmissbrauch in Verbindung mit einer womöglich nur leichten Verletzung.«
Anya bemühte sich, nicht besserwisserisch zu klingen. »Es gibt in der Tat eine genetische Verbindung, die ein deutlich erhöhtes Risiko schwerer Hirnschädigungen nach Kopfverletzungen bewirkt. Ich tippe daher, dass Terri Janson argumentieren wird, ihr Mann hätte getestet werden müssen. Man lässt einen Jungen ja auch erst dann einen Kontaktsport ausüben, wenn man sicher ist, dass er kein Bluter ist.«
Die Anwälte schrieben fieberhaft mit.
»Bei der Obduktion wurde Pete Jansons Blut getestet. Das Ergebnis des ApoE4-Allels steht derzeit noch aus«, fügte Anya hinzu.
Langes Schweigen.
Anya fuhr fort. »Tatsache ist, hätten wir es statt mit diesem Sport mit einem Autorennen zu tun und es gäbe nur einen oder zwei Todesfälle, kämen automatisch sämtliche Sicherheitsvorschriften auf den Prüfstand, und alle Mitwirkenden müssten das akzeptieren.«
Masterton kam an den Tisch. »Unser Sport ist aber der Football. Müssen wir uns wirklich dieses selbstherrliche Gewäsch einer Angestellten anhören? Menschenskinder, sie ist ja nicht mal eine von uns. So wie die daherredet, möchte man glatt meinen, die hat Terri Janson überhaupt erst zu dem Drecksinterview angestiftet.« Er stellte sich hinter Anya. »War es so?«
Gavin Rosseter legte Anya die Hand auf den Arm zur Unterstützung, nicht um sie zum Schweigen zu bringen, wie sie kurz annahm.
Buffet drosch auf den Tisch. »Bentley, du hältst jetzt verdammt noch mal das Maul! Wir müssen wissen, was auf uns zukommt. Die Presse wird sich auf diese Sache stürzen.«
Kitty Rowe stand auf. »Nicht unbedingt. Ein Routinetest aller Spieler wäre ein Eingriff in ihre Bürgerrechte. Ich kann Sachverständige ohne Ende auffahren lassen, die bestätigen, dass wir Janson einen Gefallen getan haben, indem wir ihn nicht auf das Gen testeten. Ohne uns hätte er nie eine derart erfolgreiche Karriere als Footballer machen oder seine Familie so gut versorgen können. Ein solcher Test hätte ihn all seines Ruhms und Erfolgs beraubt. Es war eine äußerst schwere Gewissensentscheidung, die wir zu treffen hatten, aber schließlich räumten wir den
Weitere Kostenlose Bücher