Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
sie den und forderte ihn zum Aufhören auf. Indem er sie dazu zwang, ganz wie Sie es gesehen haben, vergewaltigte er sie. Ob Sie es glauben oder nicht, das Einverständnis zu einem sexuellen Akt bedeutet nicht das Einverständnis zu jedem denkbaren sexuellen Akt.«
Anya wartete auf die nächsten Offenbarungen.
»Aber sie kann es sich nicht plötzlich anders überlegen, wenn sie das Höschen um die Knöchel hat.«
»Und da irren Sie leider. Wenn Sie das Nein einer Frau nicht beachten, kann es Ihnen blühen, dass Sie sich wegen einer Straftat vor Gericht verantworten müssen und im Falle einer Verurteilung als Sextäter gebrandmarkt sind. Hinter Gittern können Sie nicht für Ihren Verein auf dem Platz stehen.«
»Davor brauchen wir keine Angst zu haben. Da steht ihre Aussage gegen unsere«, höhnte der Dunkelhaarige.
Seine Wortwahl ließ Anya aufhorchen. Er sagte ganz bewusst »unsere«, nicht »meine«, so als ließe der Vorwurf einer Vergewaltigung sich durch schiere zahlenmäßige Übermacht entkräften. An Lindas Blick erkannte sie, dass das auch der Staatsanwältin nicht entgangen war.
Während Linda erläuterte, was eine Anzeige wegen eines Sexualdelikts im Einzelnen bedeutete, blätterte Anya die Spielerakten durch, bis sie fand, was sie suchte. Der Mitteilungsdrang von Liam McKenzie war ebenso groß wie der von Peter Janson.
Sie fragte sich, wo sich in dieser Gruppe die zehn Prozent Verweigerer aus Gewissensgründen verbargen – so es sie überhaupt gab.
10
Am selben Nachmittag schlüpfte Anya in ihre Ballerinas, verließ das Hotel und folgte Ethan nach Norden. Bislang wusste sie nicht mehr, als dass die Besitzer der New Jersey Bombers sie treffen wollten.
Ethan schien das für etwas Gutes zu halten.
»Ich habe schon oft für sie gearbeitet und bin wirklich überzeugt, dass ihr Einsatz für einen sauberen Sport mehr als ein reines Lippenbekenntnis ist. Ich habe gerade mit Lyle Buffet gesprochen. Fünf Bombers-Spieler wurden wegen eines vermeintlichen sexuellen Übergriffs aufs Revier einbestellt. Der Vorwurf, seine Spieler könnten etwas mit der Vergewaltigung von gestern Nacht zu tun haben, ging niemandem näher als ihm.«
Mit Ausnahme der betroffenen Frau, überlegte Anya. Sie dachte an Kirsten, wie sie sich die Haut mit Scheuermittel schrubbte.
Die Straßen waren verstopft mit gelben Taxis, und das Hupen war fast ununterscheidbar. Das schien aber niemandem etwas auszumachen. Ein leichter Regen setzte ein, und sie liefen schneller, vorbei an den Touristen, die dauernd stehen blieben und Fotos machten. Die Einheimischen nahmen das ebenso gelassen hin wie den Lärm und wichen den Fremden einfach aus, ohne sich daran zu stören. Nichts konnte den Strom der Fußgänger aufhalten.
Anya atmete befreit auf, als das Hotel hinter ihr lag, auch wenn die grauen Wolken noch den kleinsten Sonnenstrahl abblockten. Die frische Luft im Gesicht ließ sie aufleben und fegte den Nebelschleier der Erschöpfung beiseite. Ein langer Spaziergang und eine erholsame, ruhige Nacht waren genau, was sie jetzt brauchte.
Gemütlich schweigend gingen sie die Lexington Avenue entlang. Je weiter sie nach Norden kamen, desto mehr Portiers konnte man sehen, die die Wagenverschläge öffneten und den Bewohnern die Einkäufe abnahmen.
»Es scheint hier zum guten Ton zu gehören, einen Portier zu haben«, sinnierte Anya.
»Wussten Sie, dass es in New York mehr Portiers als Taxifahrer gibt? Seit die Aufzüge ohne Führer auskommen, sind sie in allen Wohnhochhäusern gesetzlich vorgeschrieben zur Sicherheit der Mieter und Eigentümer. Dabei würde von den Portiers, die ich kenne, keiner je in eins von diesen Hochhäusern ziehen.«
»Behandelt man sie so schlecht?«
Ethan steckte die Hände in seine Lederjacke und grinste. »Manche Leute lassen es durchaus an Respekt mangeln, allerdings wissen die Portiers viel mehr über alles, was die Bewohner so treiben, als denen lieb oder oft auch bewusst ist.«
Das leuchtete ein. Sie sahen, wer kam und ging, wer von wem Pakete und Briefe bekam, und wahrscheinlich wussten sie sogar, wer wie viel an Miete zahlte, was er verdiente und ausgab. Sie sah Ethan von der Seite an.
»Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie dem einen oder anderen schon etwas zugesteckt haben, damit der ihnen was flüstert.«
Der Privatdetektiv grinste. »Eine gute Quelle kann einem Wochen des Hackenablaufens ersparen.«
Schließlich bogen sie in die East 72nd Street ein und blieben vor einem Hochhaus mit Namen
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