Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Oxford stehen. Das Gebäude war leicht von der Straße zurückgesetzt, sodass davor eine private Grünanlage mit Steinbänken im europäischen Stil Platz fand. Durch den abgeriegelten und überdachten Zugang ging es ins Foyer des Hochhauses. Der Portier kannte Ethan offenbar und wünschte ihm einen schönen Nachmittag.
»Das würde ich mir schon gefallen lassen.« Ethan drückte den Knopf zum vierundvierzigsten Stock. »Swimmingpool, Wellnesseinrichtung, Basketballplatz. Blöderweise habe ich die nötigen drei Millionen gerade nicht flüssig.«
Die mit weißem Marmor und Art-déco-Säulen ausgekleidete Wohnanlage war elegant, aber unterkühlt. Anya fragte sich, wie viel Mühe es kostete, die Böden sauber zu halten. Eine Sekretärin führte sie in den palastartigen Speisesaal mit Walnussparkett und weißem Marmortisch. Die mit weißem Damast bezogenen Stühle legten den Verdacht nahe, dass dieses Apartment nicht auf die Bedürfnisse kleiner Kinder ausgelegt war.
An dem Marmortisch hatten ein Mann und eine Frau Platz genommen, die aus filigranen Porzellantässchen Mokka tranken, während ein älterer Herr in Bombers-Clubjacke und passender, tief über die grauen Haare gezogener Kappe ein Stück abseits saß.
»Schönen Nachmittag, Catcher. Und Sie müssen Dr. Crichton sein.« Der Sprecher im maßgeschneiderten Anzug dürfte Ende vierzig sein. Das grau melierte Haar war leicht gewellt, die Zähne blendend weiß und die gesamte untere Hälfte seines Ringfingers hinter einem blitzenden Goldnugget verborgen. Er kam auf Anya zu und schüttelte ihr die Hand. »Ich bin Bentley Masterton. Vielen Dank, dass Sie so kurzfristig Zeit für uns haben.«
»Das ist Kitty Rowe, die jüngste und cleverste Medienmogulin im ganzen Land und eine Frau mit erlesenem Geschmack, was Footballmannschaften angeht.«
Sie stand auf und griff sich an das eng anliegende antike Perlencollier, welches das hellrosa Chanel-Kostüm vervollständigte. Die blonden Haare waren aus dem Gesicht zurückgekämmt, beim Make-up hätte Anya sich in mehr Zurückhaltung geübt, aber es unterstrich die dunkelbraunen Augen. Trotz der Stilettos war sie kleiner als Anya.
»Ach, Bentley«, zwinkerte sie Ethan zu. »Immer musst du übertreiben. Ich bin die zweitjüngste. Willkommen in meinem Heim weg von daheim«, scherzte sie, als wäre es eine Ferienhütte. Zwei Wände des Speisesaals waren mit Panoramafenstern versehen und boten nach Norden, Westen und Osten spektakuläre Blicke auf die Stadt. »Bitte, nehmen Sie Platz. Dürfen wir Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
Anya und Ethan lehnten höflich ab und setzten sich. Gleich nachdem Ethan Anya von dem eilig anberaumten Treffen mit den Clubbesitzern der Bombers erzählt hatte, hatte sie sich im Internet ein wenig kundig gemacht. Bentley Masterton war ein evangelikaler Prediger, der es im Spätabendfernsehen zu einigem Ruhm gebracht hatte. Angeblich umfasste seine Gemeinde zehn Millionen Gläubige in mehr als einem Dutzend Bundesstaaten. Häufig waren die Einträge über ihn mit Fotos illustriert, die ihn zum höheren Ruhme Gottes am Steuer eines kostspieligen Autos zeigten. Seine Kirche betrachtete Reichtum als Belohnung und lehnte staatliche Wohlfahrt kategorisch ab. Sein Gott war offenbar nicht derselbe, den man Anya in ihrer Schulzeit nahegebracht hatte. Mastertons Vater war noch bis vor Kurzem Senator für die Republikanische Partei gewesen. Die Blogs strotzten vor Gerüchten über Bentleys politische Ambitionen, und man erörterte sein Engagement für wohltätige Zwecke und Frauenhäuser. Die Beiträge waren überwiegend positiv.
Kitty Rowe dagegen stammte von einer Mutter ab, die Juraprofessorin war, und einem Vater, der ein Medienimperium leitete. Er war bekannt dafür, Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen, indem er seine Wunschkandidaten in seinen Publikationen unumwunden bevorzugte. Es war auch von einem älteren Bruder die Rede, der in Dubai tätig, aber anscheinend nicht in das Familiengeschäft involviert war. Kitty hatte den Konzern um den digitalen Rundfunk und die Telekommunikation erweitert und war mehrfach mit ihrem nicht unumstrittenen Vater bei Footballspielen der Bombers fotografiert worden. Ging man von der Fülle der Bilder im Internet aus, auf denen er über die Jahre mit immer neuen Spielern zu sehen war, musste er als begeisterter Anhänger gelten. Es dürfte also ein cleverer Karriereschachzug der im Familienunternehmen aktiven Tochter gewesen sein, sich in den Club
Weitere Kostenlose Bücher