Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Notizen. »Ihre Haut war wundgeschrubbt. Beim Eintreffen wirkte sie wie betäubt, war aber bei klarem Verstand, als beschreibe sie einen Film, den sie gesehen hat. Ihre Stimme war völlig emotionslos. Als ich sie untersuchte, klagte sie nicht, sie starrte nur an die Decke. Die Dammwunde ging tief, und ich musste einen Druckverband anlegen, um die Blutung zu stillen. Es muss schmerzhaft gewesen sein, aber sie beklagte sich nicht ein einziges Mal. Sie hatte einen völlig ausdruckslosen Blick.«
Die Krankenschwester sah nach dem piepsenden Pager. »Sie kennen den Bericht?«
Anya kannte nur die Fotos, aber die klinischen Aufzeichnungen konnten Kirstens Verfassung und Reaktionen nicht wiedergeben.
»Nur ein paar Fotos. Die lassen darauf schließen, dass es sich um ausgesprochen schmerzhafte Verletzungen handelte. Wurde sie auf Blutalkohol und Drogen untersucht?«
Die nächste Seite der Akte lieferte die Antwort. Alkohol wurde nachgewiesen, allerdings nur 0,03 Promille. Der Drogentest war negativ. Kirsten war nicht betäubt worden, hatte keine Drogen genommen, und beim Eintreffen im Krankenhaus war der Alkoholspiegel unter dem gesetzlichen Grenzwert. Sie war nüchtern und bekam sehr genau mit, was geschah.
»Wie war ihr Gedächtnis?« Anya wollte wissen, wie klar ihr Erinnerungsvermögen war, um abschätzen zu können, ob sie womöglich getrunken und den Alkohol in der Spanne zwischen der Vergewaltigung und dem Eintreffen im Krankenhaus abgebaut hatte.
»Sie war bei klarem Verstand und berichtete detailliert, was vorgefallen war. Ich hielt nicht alles fest, was sie sagte, aber es war eine Polizistin zugegen. Demnach war es eine brutale und lang andauernde Vergewaltigung.«
Sie klappte die Akte zu. »Entschuldigung, aber ich muss los. Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.« Sie erhob sich und hielt Anya die Tür auf. »Würden Sie mir einen Gefallen tun?«, bat die Krankenschwester. »Sorgen Sie dafür, dass diese Schweinehunde nicht ungeschoren davonkommen. Das war nicht die erste von Footballern vergewaltigte Frau, mit der ich zu tun hatte, aber kaum eine hat den Mut, zur Polizei zu gehen.«
Mit diesem Satz verließ sie den Raum.
20
Anya sah Jim Horan in seinem rundumverglasten Büro auf und ab gehen. Hören konnte sie ihn ebenfalls. Er sprach derart laut in sein Headset, dass jedes Wort zu verstehen war.
»Es ist mir egal, ob Sie das für einen Superdeal halten. Das Angebot ist inakzeptabel. Verdoppeln Sie es erstmal. Dann können wir reden.«
Die Sekretärin klopfte an die Tür, und Horan winkte sie herein. Anscheinend hatte in New York niemand am Wochenende frei.
»Ethan Rye und Dr. Anya Crichton würden Sie gerne sprechen.«
Er taxierte sie. »Kein Interesse.«
Anya sah ihren Begleiter an, der die Schultern zuckte. Ethan hatte Horans Absage entweder nicht gehört, oder sie kümmerte ihn nicht. Er war schon im Büro und machte es sich auf einem gepolsterten Sessel bequem.
Auf der Couch waren diverse Kleiderbügel mit BH s und Slips drapiert.
»Sie reden jetzt mit Ihrer Chefin, und dann schlagen Sie mir was vor, was keine Beleidigung für meinen Klienten ist.« Horan knipste das Mikro aus und trat an den Sessel hinter dem überdimensionierten Schreibtisch. Offenbar hatte er mit der Person am anderen Apparat gesprochen, nicht mit ihnen.
»Ich werde es mir ersparen, Sie hereinzubitten.« Sein Ton war sarkastisch. »Worum es auch geht, machen Sie’s kurz.« Er rief seiner Sekretärin hinterher. »Stell drei Minuten keinen Anruf durch, und bring mir einen Red Bull mit Aspirin.«
Ethans entspannte Haltung verriet, dass er keineswegs vorhatte, sich drängen zu lassen. »Ist eine ganze Weile her, Jim. Wie geht’s deiner, wo sind wir inzwischen, dritten Frau?«
Der Sportagent krempelte die weißen Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen auf. »Das schert dich noch weniger als mich, also vergeuden wir nicht unsere Zeit. Was willst du?«
»Dir zu dem Deal gratulieren, den du für Janson mit Cheree Jordan Fashions abgeschlossen hast.«
»Das ist nur ein kleiner Fisch.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Für den Knaben geht das dicke Geschäft grade erst los. Er hat eine große Zukunft. Es gibt Spieler, die brauchen vier, fünf Jahre, bis sie einen vernünftigen Pass werfen. Pete brauchte ganze drei Spiele. Die klassische Aufsteigergeschichte. In der einen Minute steht er noch ohne Club da, in der nächsten gehört er zu den wertvollsten Spielern seiner Riege. Vier Jahre
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