Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
kleine Weibchen, muss sich von den großen bösen Bubis belästigen lassen.‹ Aber ich sage Ihnen, ich weiß, was ich tue, und es hat mich verdammt harte Arbeit gekostet, so weit zu kommen und mir den Respekt der Sportler zu verdienen. Wenn Sie diese Welt nicht verpacken, sollten Sie lieber verschwinden.«
»Das war sexuelle Belästigung und Nötigung.«
»Erzählen Sie das jemandem, den’s interessiert. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden«, sie sah sich im Raum um, »ich habe zu arbeiten.« Die Frau ließ Anya stehen und ging auf einen anderen Spieler zu.
Anya setzte sich zu Ethan. »Wer ist denn das?«
»Annabelle Reichman. Sie hat mehr in der Hose als etliche von den Jungs hier.«
Anya kannte den Namen. Aus der Zeitung. Sie hatte den schändlichen Artikel über Frauen geschrieben, die angeblich falsche Vergewaltigungsanschuldigungen verbreiteten.
Sie wollte aufstehen und zu ihr gehen und Annabelle fragen, ob sie sich überhaupt eine Vorstellung mache, was für verheerende Auswirkungen ihr Kommentar habe, doch da war sie schon verschwunden.
Duschen wurden aufgedreht, und Assistenten massierten Muskeln. Die Gespräche wurden lauter, je weiter die Spieler sich entkleideten und entspannten. Aus einem Spind dröhnte ein Ghettoblaster mit lauter Musik.
Ein kleiner Schleimer sammelte Helme und Polsterung aller Spieler ein und klaubte Sachen vom Boden auf wie eine Mutter, die im Zimmer eines Teenagers die Wäsche wegräumt.
Trainer Ingram kam und lobte die Spieler für das gute, harte Match. Sie hatten das Spiel gewonnen, auch wenn die Umkleide aussah wie das reinste Schlachtfeld.
Ethan schaute auf sein Handy. »Ich setze Sie bei der Notaufnahme ab. Die Krankenschwester, die Ihr Opfer untersucht hat, hat gerade Schichtbeginn. Sie können sich unter vier Augen mit ihr unterhalten und mich dann anrufen.«
Obgleich der Privatermittler Kirstens Namen kannte, bestand für ihn weder die Notwendigkeit noch die Berechtigung, sich darüber hinausgehende, intimere Informationen zu verschaffen. Sie rechnete es ihm hoch an, dass er das respektierte.
Im Wartezimmer tröstete eine Krankenschwester eine wimmernde Frau. Anya lief es kalt den Rücken hinunter. Aus der Anwesenheit der Krankenschwester konnte Anya schließen, dass die Frau soeben einen nahestehenden Menschen verloren hatte. Die übrigen Personen im Raum wahrten ein gespenstisches Schweigen.
Am Empfangstresen bat sie um ein Gespräch mit Tina Cincotta.
Nach fünfzehn Minuten erschien eine Krankenschwester mit Stethoskop um den Hals und erschöpftem Gesichtsausdruck, das schwarze Haar zurückgebunden, eine Krankenhausakte in der Hand. Die Empfangsschwester deutete stumm auf Anya.
»Ich bin Tina. Man sagte mir, Sie wollten mich wegen einem Vergewaltigungsfall sprechen. Folgen Sie mir bitte.«
Sie lief durch einen Flur und bat Anya in ein Untersuchungszimmer mit einem Bett und einer Einstiegshilfe am Boden, die darauf wartete, am Bett befestigt zu werden. Anders als in Anyas Zentrum für sexuelle Übergriffe, das ganz bewusst so wenig wie möglich an ein Krankenhaus erinnerte, war es hier kalt, steril, und es roch nach Desinfektionsmitteln.
»Linda Gatby hat mich auf Ihr mögliches Kommen vorbereitet. Sie müssen verstehen, dass ich mich zwischen der Schweigepflicht und der Weitergabe von Informationen an die Polizei auf einem schmalen Grat bewege.«
»Das ist mir wohl bewusst.« Anya nahm auf dem Stuhl Platz, die Krankenschwester auf der Bettkante. »Ich habe den Auftrag, Kirsten Byrnes Anschuldigungen gegen mehrere Footballspieler zu untersuchen. Ich arbeite nicht im Auftrag der Verteidigung, aber es ist meine Aufgabe, die Vereinsbesitzer zu beraten, sollte ich aufgrund der Beweislage zu dem Schluss kommen, dass in der Tat ein sexueller Übergriff stattgefunden hat.«
Tina nickte bedächtig.
»Zudem hat mich Linda Gatby, die Stellvertretende Bezirksstaatsanwältin, um meine professionelle Stellungnahme zu den Verletzungen gebeten. Ich habe an diversen Zentren für sexuelle Übergriffe Hunderte von Vergewaltigungsuntersuchungen durchgeführt. Mein spezielles Fachgebiet sind die Wunden und Verletzungen von Opfern, die eine Vergewaltigung überlebt haben.«
»Ich verstehe. Was wollen Sie von mir wissen?«
Auf dem Flur weinte ein Baby.
»In welchem emotionalen Zustand befand sich Kirsten, als sie hier eintraf?«
Die Krankenschwester schlug die Akte auf. »Ich kann mich an sie erinnern wegen der Täter, die sie benannt hat.« Sie überflog ihre
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