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Wenn Kinder um sich schlagen

Titel: Wenn Kinder um sich schlagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Penthin
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unmittelbar erleben Kinder Gewalt, die gegen sie selbst gerichtet ist. Gewalt der Eltern gegen ihre Kinder kann sich in verschiedenen Formen äußern. Jegliche körperliche Strafe, die mit Schlagen des Kindes, Prügel und Ähnlichem einhergeht, ist ein massiver Gewaltakt gegen das Kind. Diese Strafen sind in unserer Kultur leider jedoch weitverbreitet. Schülerbefragungen zeigten Ende der 1990er-Jahre ein erschreckendes Bild: 47 Prozent der Schüler aus 9. und 10. Klassen gaben an, Opfer von »Züchtigungen« ihrer Eltern zu sein, weitere zehn Prozent gaben an, von Eltern verprügelt bzw. misshandelt worden zu sein. Der Gesetzgeber in Deutschland hat zwischenzeitlich reagiert und
im Jahr 2000 das Verbot von körperlicher oder seelischer Gewaltausübung durch Eltern im § 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verankert: »Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.« Erfreulicherweise ist zwischen 1998 und 2005 neben dem Rückgang jugendlicher Gewalttaten auch ein Rückgang schwerer elterlicher Gewaltausübung zu verzeichnen. Diese Entwicklung muss weiter anhalten, dazu möchte auch dieses Buch beitragen.
    Viele der schlagenden Eltern stehen selbst unter Spannung, was zu einer aggressiven Stimmung und Gereiztheit führt. Persönliche Probleme der Eltern, wie zum Beispiel in der Partnerschaft, am Arbeitsplatz, in der eigenen Herkunftsfamilie oder durch eine allgemein belastete Lebenssituation (Arbeitslosigkeit, Armut, eingeengtes Wohnumfeld usw.), können zu einer derartigen inneren Anspannung führen, sodass das Kind viel leichter als »schwierig« erlebt wird. Aus einer solchen belasteten Einstellung zum Kinde heraus treten rasch Situationen auf, die »das Fass zum Überlaufen bringen« und von Elternseite mit Gewalttätigkeit beantwortet werden. In solchen »Erziehungssituationen« erleben sich die Eltern vor der körperlichen Bestrafung oft als ohnmächtig und hilflos und sie wissen sich nicht anders gegenüber ihrem Kind durchzusetzen. Viele dieser Eltern mussten auch in ihrer Kindheit immer wieder gewalttätige Übergriffe ihrer Eltern erleben. Somit kann elterliche Gewalttätigkeit von Generation zu Generation als scheinbar »normales Erziehungsverhalten« weitergegeben werden (vgl. Kapitel 3 »Lernen am Modell«, Seite 32). Gewalttätigkeit durch Eltern kann somit die Grundlage dafür sein, dass Kinder selbst gewalttätig werden oder vor ihren Eltern flüchten.
    Versuchen Sie sich einmal in ein geschlagenes Kind hineinzuversetzen. Das Kind spürt neben dem körperlichen Schmerz eine erhebliche Verunsicherung, weil es den Zusammenhang
zwischen seinem »Fehlverhalten« und der unberechenbaren, überschießenden Gewaltreaktion des Erwachsenen nicht versteht. Einen unberechenbaren Menschen vor sich zu haben, in Verbindung mit der erheblichen Verunsicherung, führt natürlich zu Angst. Dadurch kann es im Gefühlsleben des Kindes zu verheerenden Folgen kommen. Kinder können Selbstzweifel bis zur Selbstablehnung entwickeln, da sie ja immer wieder erfahren, dass sie ihren Eltern scheinbar nur Prügel wert sind. Diese Gefühle sind für Kinder so unerträglich, dass ihre Seele versucht, sich vor diesen zerstörerischen Gefühlen zu schützen.
    Ein derartiger Prozess läuft unbewusst ab. Einerseits kann es geschehen, dass sich derart traumatisierte Kinder mit ihrem Peiniger identifizieren. Das heißt, sie entwickeln Gefühle wie »Der Angreifer hatte recht« oder »Ich bin ja selbst schuld«. Eine derartige Entwicklung kann der Boden für seelische Störungen wie Angsterkrankungen oder Depressionen sein. Andererseits können die unangenehmen Gefühle von Hilflosigkeit, Angst und Schmerz durch andere Gefühlsqualitäten wie Wut, Hass und Vergeltungsgefühle ersetzt und abgewehrt werden. Über diesen Weg wird die Entwicklung der eigenen Gewalttätigkeit des Kindes gefördert (vgl. Kapitel 3 »Tiefenpsychologische Theorie«, Seite 32 f.).
    Außerdem sind gewalttätige Auseinandersetzungen unter den Eltern ein ungünstiges Lernmodell für Kinder. Prügelnde Ehemänner oder Lebenspartner sind ein schlechtes Identifikationsmodell für ihre Söhne.
    Ein weiteres Feld der Gewaltausübung gegen Kinder ist der sexuelle Missbrauch in

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