Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? - Lilias Tagebuch
und mit ähnlichen Interessen. Hier knüpfen Heranwachsende Beziehungen, testen Rollenbilder und entwickeln gemeinsame Rituale.«
Ich vermute, er kennt Wörter wie »Freunde treffen« oder »Spaß haben« einfach nicht.
Na, wie auch immer: Dank Flocke konnte ich heute Abend endlich mal wieder meine »Peergroup« treffen und ein paarRollenbilder testen. Paps war bei einer Sitzung an der Uni und traf seine Peergroup, lauter alte Kunsthistoriker. Rosalie übernachtete bei Niklas. Flocke und ich hatten also sturmfrei. Das hieß natürlich zuallererst: Musik an und Bässe rein, bis der Boden wummerte. Dann haben wir für unsere Gäste gekocht und sind dabei wie wild vorm Herd rumgehüpft.
Okay, gekocht ist wohl das falsche Wort. Flocke und ich sind ja beide nicht so die Künstler am Herd. Ich habe Oliven, Peperoni und eingelegte Tomaten auf Teller gelegt, sie mit Basilikum, Thymian und einem Scheibchen Baguette dekoriert und das Ganze Vorspeise genannt. Flocke hat eine Wassermelone in Stücke geschnitten, was unser Nachtisch war. Dazu ließen wir im Takt der Musik unsere Schultern tanzen und unsere Hüften kreisen und wir haben gesungen. Laut und schön, wie wir fanden. Primel war aber anderer Meinung, sie ist aus der Küche geflohen wie aus einem Hexenkessel.
Zuletzt haben Flocke und ich Spaghetti in kochendes Salzwasser geworfen, einen riesigen Topf voll, das kriegen wir nämlich gerade noch hin. Und mit dem Pesto, das Dana mitbringen wollte, ergab das ein komplettes mediterranes Menü, bei dem auch unsere Vegetarier Maiken und Felix mitfuttern konnten.
Fertig. Tisch gedeckt, Kerzen an, und dann kamen auch schon die Gäste: Erst Maiken, ganz in Schwarz, mit roten Lippen und gekonnt verstrubbelten Haaren, sichtlich aufgeregt. Danach Dana, die Flocke mit Küssen so ablenkte, dass er nicht merkte, wie die Spaghetti zischend überkochten.
Fabi und Benny schleppten gemeinsam einen Kasten Bier ins Haus. Dann klingelte Vicky, die Felix aus einem mir völlig unbegreiflichen Grund dabeihaben wollte, weswegen Flockesie leider eingeladen hat. Zum Glück war ich vorgewarnt, sonst hätte ich bei ihrem Anblick vielleicht ein Wort ausgerufen, das man nicht sagt.
Warum schaffe ich es eigentlich nicht, Vicky aus meinem Leben zu vertreiben? Sie mag mich doch gar nicht. Warum kommt sie mir immer in die Quere? Warum will immer irgendwer Vicky dabeihaben? Und warum kommt sie dann auch noch?
23.45 Uhr Wir warteten alle zusammen auf Tom und Felix und freuten uns fast ein Loch in den Bauch, dass Felix gleich endlich wieder live und in Farbe vor uns stehen würde.
Als es endlich klingelte, stürzte Fabi zur Haustür und riss sie auf. »Ladies and Gentlemen«, trötete er wie ein Zirkusdompteur. »Hier sind sie: Tom, der Schrecken seiner Feinde. Und an seiner Seite Felix, der Schrecken seiner Freunde! Tätäää!«
Wir johlten und applaudierten und trampelten mit den Füßen, als unser lang vermisster Mister X den Raum betrat und verlegen lachend vor uns stand. Und ich freute mich natürlich auch über Tom, der mich beim Reinkommen küsste und fest an sich drückte und in seinem schneeweißen T-Shirt und mit seiner gebräunten Haut so umwerfend aussah, dass ich mal wieder Gnie bekam.
So ganz unrecht hatte Fabi mit seinen Worten allerdings nicht. Wir, Felix’ Freunde, waren wirklich erschrocken, als wir unseren langersehnten Kumpel sahen. Er war blass, schmal und dünn, aber damit hatten wir gerechnet. So ein Zusammenstoß mit einem Lastwagen hinterlässt Spuren. Neu war aber sein trauriges Lächeln. Und dann war da noch irgendwas mit seinem Kopf passiert. Brrr. Das hatte er vor seiner Abreise nochnicht gehabt. Erst nach ein paar Sekunden kapierte ich: Boah, das waren seine Haare. Felix’ frühere Locken waren zu filzigen Würstchen gezwirbelt und standen wie Igelstacheln von seinem Kopf ab.
Wir haben das erst mal nicht beachtet, denn wir mussten ihn jetzt drücken und umarmen und uns freuen, dass er wieder da war. Keiner sprach es aus, aber wir dachten in diesem Moment vermutlich alle: Wäre er mit seinem Fahrrad nur ein paar Zentimeter weiter über die Fahrbahn geschlittert, dann wäre er jetzt nicht hier, dann wäre er tot. Darüber wollte ich nicht mal nachdenken. Wie sehr er uns allen gefehlt hatte, das merkten wir erst jetzt so richtig, als er wieder vor uns stand. Felix mit den warmen braunen Augen, immer gut drauf, aber auch immer bereit zu einem ernsten Gespräch, immer hilfsbereit, immer ein Lied pfeifend, immer er
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