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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lind
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Sorgenkind?«
    Ihre einfühlsame Art trieb mir die Tränen in die Augen. Zum ersten Mal wurde ich nicht im militärischen Tonfall herumkommandiert oder abgefertigt.
    »Nun ja, sie trinkt nicht. Ich muss ihr Nahrung und Flüssigkeit mühsam mit dem Teelöffel einflößen.«
    »Schauen Sie, Ihr Töchterchen hatte eine sehr schwere Geburt. Vielleicht auch aufgrund von Sauerstoffmangel sind manche Organe und Gliedmaßen noch nicht so ausgebildet, wie sie es in diesem Alter sein sollten.«
    Mir liefen die Tränen über das Gesicht.
    »Frau Hädicke, Sie sehen so müde und erschöpft aus! Warum lassen Sie Ihr Töchterchen nicht ein paar Tage zur Beobachtung hier in der Klinik und ruhen sich zu Hause so richtig aus?«
    »Bitte nicht!«, flehte ich. »Ich will mein Kind mit nach Hause nehmen! Ich habe doch sonst nichts!«
    »Schauen Sie, manchmal ist es besser, man überlässt das Kind geschultem Fachpersonal. Ihr Kind spürt Ihre Kraftlosigkeit und Ohnmacht. Dann macht es auch keine Fortschritte, hm?«
    Sie tätschelte mir aufmunternd die Schulter.
    »Wir haben hier alle Möglichkeiten, dem Zustand Ihrer kleinen Anja auf den Grund zu gehen. Weinen Sie nicht, liebe Frau Hädicke. Sie haben nichts falsch gemacht.«
    »Ich fühle mich so unfähig …«, schluchzte ich in das Taschentuch, das mir eine nette Schwester reichte. Es tat so gut, dass sich endlich mal jemand die Zeit nahm, mir zuzuhören!
    »Da sind Sie nicht die einzige junge Mutti, die von Selbstzweifeln geplagt ist«, tröstete mich die Ärztin liebevoll. »Sie stehen am Rand der totalen Erschöpfung. Sie sind blass und deutlich untergewichtig. Warum gehen Sie nicht nach Hause und schlafen sich erst mal gründlich aus?«
    »Ich … kann nicht schlafen! Das Füttern dauert im Grunde vierundzwanzig Stunden. Ich weiß gar nicht mehr, wie Schlafen geht.«
    »Und genau das sieht man Ihnen an. Lassen Sie sich von Ihrem Mann verwöhnen. Gehen Sie mal zusammen essen.« Sie schaute sich um, wie um sicherzustellen, dass auch niemand mithörte, beugte sich vor und vertraute mir spitzbübisch an: »Im Restaurant ›Zur Eule‹ gibt es zurzeit Rostbraten! Man wartet höchstens eine Stunde! Aber nicht weitersagen!«
    »Mein Mann ist beim Grundwehrdienst«, murmelte ich matt.
    »Oh. Oje. Na, da muss man wohl durch.« Sie stand auf und wechselte sofort das Thema. »Wir behalten Ihr Töchterchen jetzt hier und melden uns bei Ihnen, sobald es etwas Neues gibt.«
    Mit diesen Worten komplimentierte sie mich aus ihrem Sprechzimmer.
    Wie in Trance schob ich den leeren Kinderwagen vor mir her. Tränenblind ließ ich mir vom Straßenbahnschaffner mit dem Kinderwagen helfen.
    »Oh«, sagte er irritiert. »Da ist ja gar nichts drin!«
    »Nein«, flüsterte ich. »Es liegt in der Klinik!«
    »Na, wird schon wieder, gute Frau!«
    Mit leerem Kinderwagen ging ich den langen Weg von der Bushaltestelle bis zu unserer Neubausiedlung, streng darauf bedacht, keiner Nachbarin zu begegnen, die womöglich einen neugierigen Blick hineinwerfen wollte.
    Die Wohnung war leer und still. Kein Quäken, kein Brabbeln, kein hungriges Maunzen. Wieder starr ten mich die gläsernen Augen des Teddys im Kinderzimmer ausdruckslos an. Das kleine Mobile, nach dem Anja manchmal gegriffen hatte, drehte sich im kalten Zugwind.
    Es war unerträglich. Meine kleine Anja! Ausgerech net jetzt, wo sie sich doch endlich an mich gewöhnt hatte! Wo sie mich anlächelte, mir mit den Augen folgte, auf Singen, Streicheln und Schmusen reagierte! Ausgerechnet jetzt hatte ich sie wieder in so einem scheußlichen Krankenhaus lassen müssen. Für wie lange nur, o Gott, für wie lange?
    Das Ticken der Küchenuhr ließ mich erahnen, wie langsam die Zeit ohne meinen kleinen Liebling vergehen würde.
    Auf einmal sah ich mich wieder auf dem Gang neben dem Kreißsaal liegen. Auch da hatte die Wanduhr so grausam getickt. Hatten sie mich mit Absicht so lange dort liegen lassen? Weil Bernd nicht in der Partei war? Bernd hatte sich sogar mit seinem Vater überworfen, der absolut parteigläubig war! Ein stren ger Lehrer, Staatsdiener und Kommunist! Mein Bernd war ein mutiger Querulant, der nicht alles toll fand in diesem Staat. Hatten sie Anja und mich dort einfach unserem Schicksal überlassen? Weil Parteimitglieder vorgezogen wurden? War meine Anja deshalb ein Sorgenkind?
    Nein. So etwas durfte ich nicht mal denken. Wie eine Marionette lief ich in der leeren Wohnung auf und ab.
    Bernd. Heute war Bernds zweiundzwanzigster Geburtstag! Heute vor

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