Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
bewahrheitet. Wenn sie morgens in die Schule ging, lag Josie noch im Bett. Kam sie abends nach Hause, glich die Wohnung einem Schweinestall. Kleidungsstücke und Schminkutensilien lagen überall herum, im Bad muffelten nasse Handtücher auf dem Fußboden vor sich hin, die Schallplatten waren aus ihren Hüllen gerissen. Josie kam gar nicht auf den Gedanken, eine Mahlzeit zuzubereiten, geschweige denn, einkaufen zu gehen. Und immer wieder wärmte sie die alten Geschichten über Mark auf. Sie hörte sich an wie eine Schallplatte, die einen Sprung hatte.
An diesem Abend lag sie auf der Couch und rauchte einen Joint. Cannabis-Glut war heruntergefallen und hatte Löcher in die Polster gebrannt.
»Ich finde, du solltest nach Hause fahren«, begann Ellen und hoffte, es klang nicht allzu unwirsch. »Mir reicht es, ehrlich gesagt. Ich ertrage es einfach nicht, von der Arbeit heimzukommen und so ein Chaos vorzufinden.«
»Komm, nimm einen Zug, dann siehst du alles viel lockerer.« Josie streckte ihr den Joint hin.
»Mir wär es lieber, du würdest deinen Hintern in Bewegung setzen und aufräumen«, stieß Ellen hervor.
»Du bist gar nicht so cool, wie du immer tust, hm? Ich hab den Eindruck, du bist ziemlich mit den Nerven runter. Lass dir ein paar Beruhigungspillen verschreiben, das hilft.«
Statt darauf einzugehen, fragte Ellen, was passieren würde, wenn sie ihre Termine nicht wahrnahm.
Josie kicherte. »Ich hoffe, Mark wird vor Wut platzen. Deshalb bin ich ja hergekommen.«
Deshalb – nicht, um ihre Schwester zu sehen. »Weißt du was? Das kannst du auch woanders hoffen. Warum fährst du nicht auf die Farm? Dann kannst du gleichzeitig deine Mutter zur Weißglut bringen. Alles in einem Aufwasch.«
Josie fuhr hoch. Mit Pferdeschwanz, den royalblauen Hotpants und dem knappen Zopfpulli sah sie wie fünfzehn, nicht wie einundzwanzig aus. »Hör zu, du Miststück«, zischte sie, »lass Mum aus dem Spiel, verstanden? Dass sie so sauer auf mich ist, hab ich doch nur dir zu verdanken.«
»Mir hast du es zu verdanken, dass Mum und Dad dir verziehen haben«, konterte Ellen. »Das war ein verdammt hartes Stück Arbeit.«
»O ja, das glaub ich dir. Aber erzähl mir bloß nicht, du hättest es für mich getan.« Josies Augen verengten sich zu Schlitzen. »Du willst dich bei ihnen lieb Kind machen, damit du die Farm bekommst, wenn sie abkratzen. Mir machst du nichts vor:
Du weißt genau, was das Land wert ist, und kannst es kaum erwarten, bis du es dir unter den Nagel reißen kannst, nicht wahr?«
Ellen musste sich beherrschen, um nicht auf sie loszugehen. »Ich gehe jetzt«, sagte sie. »Wenn ich zurückkomme, will ich dich hier nicht mehr sehen, sonst werf ich dich raus. Dieses Mal hast du den Bogen überspannt. Komm wieder, wenn du gelernt hast, dich zu benehmen.«
Ellen sprang ins Auto und fuhr in Richtung Pensford. An einem Parkplatz neben der Landstraße hielt sie an. Sie hätte ihrer Schwester den Hals umdrehen können und wünschte sich in diesem Moment wirklich, sie nie wieder zu sehen. Warum sagte sie so hässliche Dinge? Was war nur los mit ihr?
Sie beobachtete, wie die Sonne unterging. Als sie hinter einem Hügel verschwunden war, hatte sich auch Ellens Zorn gelegt. Sie hatte genug über Kinderpsychologie gelesen, um zu erkennen, dass Violet für einen Großteil von Josies Problemen verantwortlich war. Violet war eine verbitterte Frau, sie hatte keine Gelegenheit ausgelassen, Josie von Kindesbeinen an ihren Hass einzuimpfen. Sie war es, die ihrer Tochter eingeflüstert hatte, ihr Dad liebe sie nicht. Und sie musste ihr auch eingeredet haben, ihre ältere Schwester versuche, sie um ihr Erbteil zu bringen. Sogar Josies Überzeugung, ein Mann müsse für eine Frau sorgen, ging direkt auf Violet zurück.
Das mochte auf die meisten Ehen zutreffen, allerdings verstand Violet es noch anders: Sie dachte dabei nicht an Liebe – sofern sie überhaupt wusste, was das war –, sondern an Leistung und Gegenleistung: Sex gegen ein Zuhause und Nahrung. Nichts anderes praktizierte sie mit Albert.
Und Josie war ganz genauso. Ellen konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals von einem Mann geschwärmt hatte, der ihr gefiel. Sie prahlte immer nur damit, was für ein tolles Auto er fuhr, wie reich oder erfolgreich er war. Wahrscheinlich hatte sie auch nie aus wilder Leidenschaft mit einem Mann geschlafen, sondern immer nur aus Berechnung.
»Arme Josie«, murmelte sie vor sich hin. »Wann wirst du es endlich begreifen?«
Der
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