Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
glücklicher.
Daisy ließ sich nämlich nicht gern herumkommandieren. Und der Gedanke, etwas Neues kennen zu lernen, war verlockend. Sie fragte sich nur, wie sie es verkraften würde, Joel womöglich wochenlang nicht zu sehen. Es war ihr in der Vergangenheit immer zum Verhängnis geworden, dass sie sich ganz und gar an einen Mann gekettet hatte, und obwohl sie Joel nicht mit ihren früheren Freunden in einen Topf werfen wollte, fiel ihr das Umdenken schwer. Ihn zwei-, dreimal die Woche zu sehen, gehörte einfach zu ihrem Leben.
Das Problem Lucy würde sich ebenfalls lösen, wenn sie von zu Hause fortginge. Die beiden gerieten sich nach wie vor ziemlich oft in die Haare, hauptsächlich deshalb, weil Lucy im Haushalt keinen Finger rührte. Doch da die Zwillinge nach ihrem Abschlussexamen eine Weltreise planten, würde sich das Problem vermutlich sowieso von allein lösen.
Daisy drehte die Stereoanlage auf, als der Song Miracle lief, und sang mit. Das war es, was sie für sich selbst erhoffte, ein Wunder, das ihr alle Entscheidungen abnahm und ihr klar und deutlich den richtigen Weg wies.
Danach sang Whitney Houston All the Man that I Need. Daisy stellte den Plattenspieler ab. Sie wollte das Lied nicht hören, sie war sich nicht mehr so sicher, ob Joel wirklich all das war, was sie brauchte. Er gab ihr ein Gefühl von Wärme und Behütetsein, aber das gleiche leistete eine Thermojacke auch. Sie sehnte sich nach etwas, das die Flammen aufs Neue schürte und die Funken stieben ließ. Vielleicht würde eine räumliche Distanz genau das bewirken. Vielleicht würde das Feuer dann aber auch endgültig verlöschen.
Sie wünschte inbrünstig, sie wäre wie manche ihrer Freundinnen, die nie von Zweifeln an ihren Fähigkeiten geplagt wurden, sondern entschlossen auf ihr Ziel zusteuerten. Was war sie doch für ein Jammerlappen! Sie konnte sich nicht einmal entscheiden, ob sie ihre leibliche Mutter suchen wollte oder nicht.
Bislang hatte sie eine Menge Ausreden gefunden, um die Suche hinauszuschieben. Ihr Kurs, der Haushalt und Joel hatten ihr einfach keine Zeit gelassen. Aber neuerdings dachte sie wieder öfter daran, nicht nur des Versprechens wegen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte, sondern weil ihre Neugier sie trieb.
Doch so gern sie die ganze Wahrheit über Ellen erfahren wollte, war da etwas, das sie von diesem Schritt abhielt. Fürchtete sie, die Büchse der Pandora zu öffnen? Oder wollte sie sich nicht auch noch die Verantwortung für einen weiteren Menschen aufbürden?
Als sie kürzlich mit Joel darüber gesprochen hatte, hatte er sarkastisch bemerkt: »Du willst die Krume vom Brot, aber nicht die Kruste. Das ist typisch für dich, so ist es mit allem, auch mit mir.«
Das hatte sie tief getroffen, aber er hatte ja Recht. Sie wollte einen tollen Job, ohne sich allzu sehr anstrengen zu müssen, ihre Familie, aber bitte ohne Probleme, eine Beziehung, in der es keinen langweiligen Alltag, sondern nichts als Leidenschaft gab, eine neue Mutter, ohne sich dafür irgendwelchen Belastungen auszusetzen.
»Du bist der Einzige, Fred, den ich hundertprozentig so mag, wie er ist«, murmelte sie und kraulte den Hund hinter den Ohren.
Er leckte ihr das Gesicht, als wollte er sagen, das Gleiche denke er über sie auch. Daisy musste lachen.
»Daisy?«, rief ihr Vater.
Sie fuhr erschrocken zusammen, sie hatte ihn nicht kommen hören. »Komm nur rein, Dad.«
»Ich dachte, du hättest Besuch, ich hab dich lachen hören«, bemerkte John.
»Ich hab nur gerade zu Fred gesagt, er ist mir der liebste Mensch auf der Welt«, erzählte Daisy kichernd.
»Der Bursche nimmt sich in letzter Zeit ganz schön viel raus.« John setzte sich aufs Bett und streichelte den Hund.
Ihr Vater überwand den schweren Verlust allmählich. Er ging manchmal mit Freunden aus, zum Essen oder ins Theater, er lachte wieder und freute sich sogar auf den Sommer, wenn er segeln gehen könnte. Daisy hoffte, er werde irgendwann auch wieder jemanden kennen lernen, denn er war viel zu nett und jugendlich in seinen Anschauungen, um den Rest seines Lebens allein zu verbringen.
»Was hängst du denn hier herum?«, fragte er. »Ich dachte, du wärst ausgegangen.«
»Heute war der Kurs früher zu Ende«, erwiderte sie gähnend. »Und dann hab ich mich hierhin gelegt und überlegt, wie es weitergehen soll.« Sie schilderte ihm kurz die Zwickmühle, in der sie steckte. »Warum bin ich nur so unentschlossen? Ich kenne niemanden sonst, der sich so schwer tut, eine
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