Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
angesehen haben, denn er machte ein mitfühlendes Gesicht, als er hinzufügte: »Ich habe Ihnen den Brief fotokopiert und Ellens alte Adresse in Bristol auf der Rückseite notiert. Vielleicht kennt dort jemand ihre neue Anschrift. Lassen Sie es mich wissen, falls Sie etwas herausfinden«, bat er mit aufrichtiger Herzlichkeit. »Ich habe Ellen sehr gern gemocht, und es würde mich freuen, wenn Sie beide wieder zueinander fänden.«
Daisy verabschiedete sich. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Hat Albert eigentlich Josie oder Violet irgendetwas vermacht? Ich weiß, es spielt keine Rolle mehr, ich frage nur aus Neugier.«
»Nein, er hat Ellen als Alleinerbin eingesetzt.«
»Das war Violet gegenüber aber ziemlich hart.«
»Ich glaube, er hat darauf vertraut, dass Ellen für sie sorgen würde«, erwiderte Mr. Briggs. »Er hat sein Testament geändert, als in der Presse zu lesen war, er habe Josie misshandelt. Er schwor, dafür zu sorgen, dass sie nie wieder einen Fuß auf seinen Grund und Boden setzte. Und das war vermutlich auch der Grund, weshalb er Violet in seinem Testament nicht bedachte. Er sagte, Josie könne ihre Mutter um den Finger wickeln, ohne dass Violet auch nur das Geringste davon bemerkte.«
»Haben Josie und Violet von dem neuen Testament gewusst?«
»Das bezweifle ich. Über geschäftliche Dinge hat Albert mit niemandem gesprochen.«
»Und die Polizei fand es nicht merkwürdig, dass Ellen die einzige Begünstigte war?«
»Nein, warum auch? Das Testament wurde Jahre vor dem Brand geändert. Alberts Einstellung zu seiner Farm war allgemein bekannt, genauso wie alle wussten, dass Violet und Josie nur das Geld interessierte. Er hatte immer gehofft, Ellen würde die Farm nach seinem Tod übernehmen.«
»Aber sie hat ihn enttäuscht.«
»Ja, das hat sie wohl. Doch Sie dürfen sie deswegen nicht verurteilen, Daisy. Es würde jedem schwer fallen, sich am Schauplatz einer solchen Tragödie niederzulassen.«
Am Wochenende besserte sich das Wetter, und Daisy nutzte die Zeit für lange Spaziergänge mit Fred, bei denen sie sich alles durch den Kopf gehen ließ, was sie über ihre Mutter erfahren hatte.
Am Sonntagnachmittag rief sie Joel an. Er schien sich zuerst über ihren Anruf zu freuen, doch als sie ihm berichten wollte, was sie bisher herausgefunden hatte, blockte er ab und versuchte, ihr auszureden, weitere Nachforschungen anzustellen.
»Wenn sie tatsächlich einen Nervenzusammenbruch erlitten hat, könnte sie sehr labil sein. Ich glaube nicht, dass du im Stande wärst, die psychische Belastung auszuhalten.«
»Warum musst du immer so negativ sein?« Es ärgerte sie maßlos, dass er überhaupt keine Einzelheiten wissen wollte.
»Ich bin nicht negativ, ich möchte nur, dass du dir die Sache gründlich überlegst, anstatt dich Hals über Kopf hineinzustürzen. Ellen könnte zum Beispiel auch verheiratet sein und Kinder haben. Vielleicht wäre es ihr gar nicht recht, wenn du plötzlich aus heiterem Himmel auftauchst und in einer Vergangenheit wühlst, über die sie sich bisher ausgeschwiegen hat.«
»Bis jetzt weiß ich ja noch nicht einmal, wo sie ist«, erwiderte Daisy gereizt. »Warum fragst du nicht, ob du mir irgendwie helfen kannst? Du könntest dich zum Beispiel mit der hiesigen Polizei in Verbindung setzen und nachfragen, ob irgendwas gegen sie vorliegt oder so.«
»Kommt nicht infrage«, antwortete er knapp. »Bloß weil ich bei der Polizei bin, kann ich nicht einfach aus privaten Gründen Akteneinsicht nehmen.«
»Ach, du kannst mich mal!«, fauchte Daisy und knallte den Hörer auf die Gabel.
Obwohl sie einsehen musste, dass er nicht so Unrecht hatte, was das Wühlen in der Vergangenheit betraf – vielleicht wäre ihr Erscheinen Ellen ja tatsächlich nicht recht –, brachte sie es nicht über sich, ihn später noch einmal anzurufen. Sie war viel zu wütend. Je länger sie über das Gespräch nachdachte, desto mehr interpretierte sie in Joels Worte hinein. Es sollte keinen anderen Menschen außer ihm in ihrem Leben geben, ja er wollte ihr nicht einmal ein eigenes Leben zugestehen: Er wollte der Mittelpunkt ihrer Welt sein, um den sich alles drehen musste.
Sie lag im Bett, lauschte dem Klatschen der Wellen gegen die Hafenmauer und suchte krampfhaft nach anderen Beispielen für seine Angewohnheit, ihr etwas zu verleiden. Die Partys zum Beispiel, Rave-Partys in alten, leer stehenden Häusern. Sie war so gern hingegangen! Es war aufregend, eine Party an einem Ort steigen zu
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