Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
lassen, an dem man eigentlich nichts zu suchen hatte. Aber er sagte, er habe keine Lust, astronomische Preise für eine Dose Bier zu bezahlen und sie in einer schmutzigen alten Bude in Gesellschaft von lauter Idioten zu trinken.
Er hatte ihr auch den Spaß an der jährlichen Fahrt in ihrem VW Käfer nach Newquay verdorben. Eingefleischte Käfer-Fahrer mit Surfbrettern auf dem Dach seien einfach nicht sein Ding, meinte er.
Sie hatte sich gefügt, weil sie seine spontanen Einfälle mochte: eine kleine Sauftour auf dem Fluss, eine Nacht in einem idyllischen Nest irgendwo auf dem Land. Doch der springende Punkt war, dass er, auch wenn er noch so gute Ideen hatte, ihre Entscheidungen nicht respektierte. Joel bestimmte, was unternommen wurde, in welchen Film sie gingen, in welches Konzert. Und sie, unkompliziert wie sie war, hatte nie widersprochen.
Sogar ihre Kleidung hatte sie seinen Wünschen angepasst. Als sie sich kennen lernten, trug sie auffällige Klamotten, enge, bis zum Schenkel geschlitzte Röcke, tief ausgeschnittene Tops. Obwohl er nie etwas gesagt hatte, konnte sie seine Missbilligung spüren. Also änderte sie ihren Stil, nur um ihn zufrieden zu stellen.
Aber damit würde nun Schluss sein, schwor sie sich. Falls er damit rechnete, sie werde sich nach ihrer Rückkehr bei ihm melden, konnte er warten, bis er schwarz wurde.
19. Kapitel
A m Gründonnerstag, eine Woche nach ihrem Besuch in Mawnan Smith, fuhr Daisy nach Chiswick zurück, wo sie am Abend eintraf.
»Daisy!«, rief John Buchan fröhlich, als sie hereinkam. Ohne Fred im Mindesten zu beachten, eilte er auf sie zu und drückte sie fest an sich. »Mir kommt es vor, als wärst du Monate fort gewesen! Wir haben dich so vermisst!«
Über seine Schulter konnte sie ins Wohnzimmer schauen. Es sah aus wie in einem Schweinestall. Daisy wollte sich lieber nicht vorstellen, in welchem Zustand der Rest des Hauses sich befand.
»Es ist schön, wieder daheim zu sein«, erwiderte sie und drückte ihn ebenfalls. Und es war schön, trotz des leisen Unbehagens, das sie empfand.
Lucy und Tom polterten die Treppe herunter und begrüßten sie aufs Herzlichste. Alle fragten wild durcheinander. Wie war das Haus? Das Wetter? Die Landschaft? Aber es war Lucy, die wissen wollte, ob sie Ellen gefunden habe.
»Ich hab ein Foto von ihr und die Adresse eines Anwalts hier in London, das ist alles«, antwortete Daisy. Ihre Stimme zitterte vor Rührung. Mit einem so stürmischen Empfang hatte sie wirklich nicht gerechnet. »Ihr werdet nicht glauben, was ich über sie und ihre Familie alles erfahren habe. Das haut euch um!«
In der Küche herrschte Chaos, aus dem Abfluss in der Spüle stieg fauliger Gestank empor. Weiße Ränder zierten den Esszimmertisch, und im Wohnzimmer hatte irgendjemand kräftig an den Vorhängen gezogen und sie teilweise aus der Gardinenschiene gerissen. Doch das alles störte Daisy überhaupt nicht. Ihr Vater bestand darauf, dass sie sich setzte. Während Lucy und Tom hastig einen Hühnchensalat zubereiteten, brühte ihr Vater ihr eine Tasse Tee auf. Sie solle von Anfang an erzählen, bat er Daisy, und nur ja nichts auslassen.
Obgleich Daisy daran gewöhnt war, im Mittelpunkt zu stehen, konnte sie sich nicht erinnern, dass die ganze Familie jemals so konzentriert an ihren Lippen gehangen hatte. Ihre verzückten Mienen spornten sie an, einige Details wie den Sprung ihrer Großmutter vom Kliff, die Beschreibung ihres Großvaters als griesgrämigen Hinterwäldler, die Violets als böse Stiefmutter und die ihres richtigen Vaters als glattzüngigen Verführer im Glitzerkostüm dramatisch auszuschmücken. Als sie zu Josie kam, dem berühmten Model, das sich allmählich mit Drogen zu Grunde gerichtet hatte, hielten sie vor Spannung die Luft an.
Dann erzählte sie von der Brandkatastrophe, bei der alle bis auf Ellen ums Leben gekommen waren. Ihr Vater, Tom und Lucy sperrten Mund und Augen auf.
»Das glaub ich einfach nicht! Das hast du erfunden«, murmelte Tom schließlich. »Gibs zu, Daisy, du willst uns auf den Arm nehmen!«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich schwöre euch, das ist die reine Wahrheit. Deshalb hab ich euch auch nicht von unterwegs angerufen. Ich hätte bloß alles durcheinander geworfen oder die Hälfte ausgelassen. Ich hab gedacht, ich warte, bis ich wieder hier bin, damit ich die ganze Geschichte in einem Guss erzählen kann.«
Ihr Vater seufzte. »Gütiger Gott, Daisy! Und ich habe angenommen, du hättest einen Schlussstrich unter
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