Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
die ganze Sache gezogen, neue Freunde gefunden und völlig vergessen, warum du eigentlich nach Cornwall gefahren bist. Das wäre typisch für dich gewesen! Wir haben sogar Witze darüber gemacht.«
»Ich hab noch gesagt, du hast bestimmt den Apfelwein entdeckt oder deine Leidenschaft fürs Segeln.« Tom lachte leise. »Wir hatten wirklich damit gerechnet, dass du dich mit etwas ganz anderem beschäftigst.«
»Ja, einem neuen Mann zum Beispiel.« Lucy besaß immerhin so viel Anstand, ein verlegenes Gesicht zu machen. »Sorry, aber wir waren alle froh, dass du dich offensichtlich zu amüsieren schienst.«
»Das hab ich auch«, erwiderte Daisy grinsend, »aber nicht so, wie ihr denkt. Mir ist immer noch ganz schwindlig von den vielen Informationen. Und ich muss Ellen finden.«
Ein Schweigen entstand. Lucy betrachtete das Foto von Ellen, Tom starrte in die Luft.
Schließlich stand John auf und ging in die Diele hinaus. Er hielt das Telefonbuch in der Hand, als er wieder hereinkam. »Wie viele Pengellys mag es in London geben? Na, was schätzt ihr?«
»Bestimmt über fünfzig«, meinte Tom. »Zu viele, um sie alle anzurufen. Außerdem könnte sie ihren Namen geändert haben.«
Lucy schaute Daisy an. »Du siehst ihr ähnlich. Aber sie wirkt so ernst und streng, zumindest auf diesem Foto.«
»Ja, finde ich auch«, stimmte Daisy zu. »Ich hab so viel über sie erfahren, aber trotzdem bekomme ich sie irgendwie nicht richtig zu fassen. Die anderen, sogar Violet, die böse Stiefmutter, kommen mir so real, so lebendig vor. Ellen nicht. Als wäre sie bloß eine Randfigur, eine nette, anständige Person, aber ohne jegliche Konturen.«
»Vielleicht liegt das daran, dass sie die einzige Überlebende ist«, bemerkte Tom und tätschelte Daisys Hand. »Erst wenn jemand tot ist, vorher nicht, sagen die Leute, was sie wirklich von ihm hielten.«
»Mir scheint, sie ist ein rechtschaffener Mensch«, erklärte John. »Ich kann verstehen, dass sie nach dem Feuer alle Brücken hinter sich abgebrochen hat. Ich weiß doch, wie schwer es mir fällt, mit Lornas Verwandten und alten Freunden zu sprechen. Natürlich würde ich den Kontakt zu ihnen nicht vollständig abreißen lassen, schon wegen der Kinder nicht. Bei Ellen ist das was anderes.«
»Du glaubst also nicht, dass sie übergeschnappt ist?«, fragte Daisy. »Ich meine, falls sie tatsächlich geahnt hat, dass ihre Schwester das Feuer gelegt hat, dann würde sie das doch schwer belasten, oder nicht?«
John schüttelte den Kopf. »Sie würde sicherlich eine Zeit lang brauchen, bis sie damit zurechtkommt, wie jeder Mensch in dieser Situation. Aber sie muss eine starke, ausgeglichene Persönlichkeit haben, sonst wäre sie nicht zu drastischen Veränderungen wie einem Umzug im Stande gewesen. Vielleicht ertrug sie ihre alte Umgebung – die Schule, den Freundeskreis – einfach nicht mehr. Du hast erwähnt, sie habe Josie oft in London besucht. Da kann es doch gut sein, dass sie schon lange den Wunsch verspürte, hier leben zu wollen.«
»Ich frage mich, ob sie wohl auf Josie eifersüchtig war«, bemerkte Lucy versonnen.
»Ja, das frage ich mich auch«, gestand Daisy. Lucys Anteilnahme ging ihr zu Herzen. Ausnahmsweise schwang kein beißender Unterton in ihrer Stimme mit, und ihre Augen wirkten nicht hart, sondern nachdenklich. »Mir wäre es wohl so gegangen. Andererseits bin ich nicht der Typ, der Befriedigung im Umgang mit behinderten Kindern findet.«
»Und ich bin zu dick und durchschnittlich, um Model zu werden«, ergänzte Lucy kichernd.
»Außerdem bist du viel zu klug dafür«, fügte Daisy hastig hinzu. »Josie scheint nicht gerade die Hellste gewesen zu sein. Aber ich musste an unser Verhältnis zueinander denken, Lucy. Wir sind zwar nicht blutsverwandt, aber wir haben nur uns, und deshalb sollten wir versuchen, ein bisschen netter zueinander zu sein, was meinst du?«
»Ich hab dich wirklich vermisst, weißt du?«, bekannte Lucy und wurde ein bisschen rot. »Und ich schäme mich sogar für die schrecklichen Dinge, die ich dir an den Kopf geworfen habe.«
Daisy grinste. »Ich mich auch. Also, warum vergessen wir das Ganze nicht einfach und fangen von vorn an. Ich kann es – wenn du es auch kannst?«
Dann sprachen sie über andere Dinge wie etwa über die neue Putzfrau, die ein einziges Mal gekommen war und danach nie wieder.
»Ich habe sämtliche Agenturen angerufen«, erzählte John kläglich. »Gute Putzfrauen sind anscheinend nicht mit Gold aufzuwiegen. Ich hab
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