Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
ahnte den Schlag mehr, als dass sie ihn kommen sah, und riss die Arme hoch. Dann hörte sie ein Zischen, ein dumpfes Krachen, als das Holz auf den Knochen über ihrem Ohr traf. Ein greller Schmerz durchzuckte sie, und sie verlor das Bewusstsein.
23. Kapitel
W ie lange sollen wir denn noch auf Daisy warten?«, klagte Lucy. »Es ist gleich acht, und ich verhungere fast.«
»Ich möchte bloß wissen, wo sie so lange bleibt.« John machte ein besorgtes Gesicht. Er schaute auf die Küchenuhr und dann auf den Schmortopf. »Sie hat gesagt, sie sei zum Essen wieder da. Es sieht ihr gar nicht ähnlich, nichts von sich hören zu lassen, wenn ihr etwas dazwischengekommen ist.«
Tom kam in die Küche. Er nahm den Deckel vom Schmortopf und atmete den Duft von Rindfleisch, Knoblauch und Kräutern ein. »Sie hat bestimmt nichts dagegen, wenn wir schon mal ohne sie anfangen«, meinte er.
»Ein Jammer, dass sie nicht pünktlich ist!«, murmelte Lucy. »Hm, ich wette, sie hat uns sogar einen Pudding gekocht.«
»Dann setz rasch die Kartoffeln auf«, bat John. Daisy mochte nicht die Pünktlichkeit in Person sein, wenn sie zur Arbeit musste, doch ihn rief sie immer an, wenn sie sich verspätete. Außerdem legte sie großen Wert auf die gemeinsamen Mahlzeiten, und so sorgfältig wie sie dieses Essen vorbereitet hatte, war sie ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass sie da sein und mit ihnen essen würde. Daisy hatte sehr geheimnisvoll getan, als sie an diesem Morgen aus dem Haus gegangen war. Es würde ihr doch nichts zugestoßen sein?
Während die Zwillinge den Tisch deckten, ging John in Daisys Zimmer hinauf. Er wusste, dass sie einen Terminkalender besaß, vielleicht hatte sie für heute eine Telefonnummer eingetragen, die ihm weiterhelfen würde.
John hatte Glück. Er fand sowohl den Terminkalender – er lag neben dem Bett – als auch unter dem Datum Samstag, neunzehnter Mai, die Telefonnummer einer gewissen Harriet. Er lief in sein Schlafzimmer und griff zum Telefon.
Die Frau am anderen Ende der Leitung war ziemlich ungehalten und beschimpfte Daisy als leichtsinnig, dumm und völlig verantwortungslos. Als John fünf Minuten später wieder auflegte, hatte er eine grobe Vorstellung davon, was Daisy an diesem Tag unternommen hatte. Das erklärte auch ihre freudige Erregung an diesem Morgen.
Er dachte einen Augenblick über die seltsame Geschichte nach. Mavis Peters hielt also Ellen für deren verstorbene Schwester Josie. Aber wo war Daisy? Kurz nach fünf war sie von Harriet weggefahren. Sie hätte längst zu Hause sein müssen.
Merkwürdig, dass Mavis Peters sich offenbar nicht davon abbringen ließ, Ellen sei in Wirklichkeit Josie. Nach allem, was er von Daisy über Mavis gehört hatte, schien sie geistig durchaus auf der Höhe zu sein. Und wenn Daisy nun noch einmal zu Ellen gefahren war?
Ein kalter Schauer rieselte ihm über den Rücken. Obwohl er Mavis’ Geschichte einerseits für absurd hielt, hatte er andererseits das ungute Gefühl, dass Daisy etwas zugestoßen war. Er musste mit irgendjemandem darüber reden, und wer käme dafür besser infrage als Joel, der vernünftigste Mensch, den er kannte?
Glücklicherweise erreichte er ihn. Er sei gerade nach Hause gekommen, erklärte Joel. John erzählte ihm, was vorgefallen war. Statt, wie John fast erwartet hatte, eine geringschätzige Bemerkung über Daisy zu machen und ihm zu raten abzuwarten, bis sie wieder auftauchte, meinte Joel:
»Das sähe ihr ähnlich, noch einmal zu Ellen zu fahren. Aber sie hätte doch sicher von dort aus angerufen und Bescheid gegeben.«
John stimmte ihm zu, und als er hinzufügte, Daisy habe das Abendessen für die ganze Familie vorbereitet, bot Joel sofort an, zu Ellen zu fahren. »Hast du die Adresse?«
Ellens Karte steckte im Terminkalender, John las die Adresse vor. »Glaubst du, diese Mavis könnte Recht haben?«, fragte er.
»Sagen wir mal so, mir liegt zu viel an Daisy, als dass ich die alte Dame nicht ernst nehmen würde«, erwiderte Joel.
Als Joel in Acton aufbrach, befand Josie sich bereits auf halbem Weg nach Bristol. Sie fuhr ihren silberfarbenen Golf mit Höchstgeschwindigkeit und murmelte ein ums andere Mal vor sich hin: »Ihre eigene Schuld. Warum musste sie da auch die Nase reinstecken?«
Sie hatte automatisch die Straße genommen, die sie immer gefahren war, wenn sie in der Klemme gesteckt hatte: Sie war zu Ellen gelaufen, die ihr wieder auf die Beine geholfen hatte. Josie zog die Stirn kraus. Ellen war nicht
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