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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
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mehr da, sie hatte niemanden mehr, zu dem sie flüchten konnte. Dreizehn Jahre lang hatte sie sich als Ellen ausgegeben; die Rolle war ihr so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass sogar sie selbst sich die meiste Zeit für Ellen hielt. Josie war tot und mitsamt all den bösen Erinnerungen, die ihr anhafteten, begraben.
    Sooft sie im Innenspiegel die Scheinwerfer eines anderen Wagens näher kommen sah, erschrak sie zu Tode. Waren sie schon hinter ihr her? Hatte Daisy sie aufgespürt? Es war alles so verwirrend!
    Als Daisy mit Mavis in der Boutique aufgetaucht war, hatte sie nach einem Augenblick panischen Entsetzens die Situation gemeistert, wie Ellen es getan hätte. Sie hatte alles im Griff gehabt. Es war ihr gelungen, Daisy davon zu überzeugen, dass sich Mavis getäuscht hatte.
    Später dann, auf dem Nachhauseweg, hatte sie plötzlich Panik erfasst. Wenn Mavis nun bei ihrer Geschichte blieb und Daisys Familie die Polizei einschaltete? Der Gedanke ließ ihr keine Ruhe mehr. Fliehen, bevor es zu spät war, schien der einzige Ausweg zu sein.
    Trotz ihrer Nervosität hatte sie die Flucht genau geplant. Sie würde sich ins nächste Flugzeug nach Spanien oder Italien setzen. Ihr Geld reichte für ein paar Monate, sie würde ihren Namen ändern und noch einmal von vorn anfangen.
    Sie hatte einen Koffer bereits hinuntergebracht, als plötzlich Daisy in ihrer Wohnung aufgetaucht war. Sie nannte sie Josie und drohte mit der Polizei. Das konnte sie nicht zulassen. Sie hatte sich den nächstbesten Gegenstand gegriffen, die Skulptur, und zugeschlagen.
    Von da an war alles irgendwie verschwommen. Josie konnte sich nur an Bruchstücke erinnern: das Blut auf der Couch, das Abschleppseil, mit dem sie Daisy an Händen und Füßen gefesselt hatte. Doch das kam ihr so unwirklich vor wie die Erinnerungen an einen Albtraum. Sie wusste noch, wie sie Geld, Reisepass und Schmuck in ihren Kosmetikkoffer geworfen und ein letztes Mal ihr Badezimmer betrachtet hatte.
    Sie hatte dieses Bad geliebt. Bei jedem duftenden Schaumbad hatte sie an ihre Kindheit zurückgedacht, an die raue, kratzende Zinkwanne in der Küche, an die eisige Zugluft, die unter der Küchentür hereingeweht war und sie vor Kälte hatte schlottern lassen. Dieses Bild würde sie nie vergessen.
    Später hatte sie in Nobelhotels viele Male ein luxuriöses Bad genommen, doch fast alle waren mit der Erinnerung an einen Mann verknüpft, der Sex von ihr wollte, was ihr die Sache gründlich verdorben hatte. Als sie in die Wohnung in Askwith Court zog und ihr eigenes pinkfarbenes Bad hatte, schwor sie sich, dass kein Mann es jemals benutzen würde. Die großen Spiegel sollten kein anderes Bild als ihres zurückwerfen, Seife und flauschige Handtücher keine andere Haut als ihre berühren. Endlich begann sie, sich sauber zu fühlen.
    Sie hatte in ihrem Bad gestanden und geschluchzt, als sie es betrachtet hatte, und sie hasste Daisy dafür, dass sie es aufgeben musste. Ihre Wohnung war ihre Zuflucht gewesen, jedes Möbelstück, jeder Dekorations- und jeder Gebrauchsgegenstand, jedes Bild, jedes Kissen hatte sie ganz allein ausgesucht. In dieser Wohnung war sie zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich glücklich gewesen. Hier hatten die Schatten der Vergangenheit sie nicht eingeholt, hier hatte sie keine Stimmen gehört, die sie eine Versagerin schimpften. Sie wurde als der Mensch wiedergeboren, der sie immer hatte sein wollen. Und dann tauchte Daisy auf, wie ein lebender Geist von Ellen, und zerstörte alles.
    Sie erinnerte sich, wie sie die Wohnungstür abgeschlossen und die letzten beiden Koffer hinuntergetragen hatte. Es hatte bereits gedämmert, deshalb hatte sie gehofft, keiner der Nachbarn werde sie wegfahren sehen.
    Aber warum war sie auf der M4 nicht in Richtung Flughafen abgebogen? Wo wollte sie eigentlich hin?
    Ortsnamen auf blauen Hinweisschildern flitzten an ihr vorbei, vertraute Namen wie Reading und Swindon. Früher hatten sie bedeutet, dass sie Ellen mit jeder Meile näher kam. Aber auch Ellen hatte sie zu guter Letzt im Stich gelassen.
    Die Erinnerung an ihren letzten Besuch bei ihr und was ihm vorangegangen war, drängte empor, und Josie versuchte vergeblich, sie zu unterdrücken.
    Es war ein heißer, schwüler Abend in jenem Sommer neunzehnhundertachtundsiebzig gewesen. Sie war auf einer Party irgendwo in West London gewesen. Gerade hatte sie die Dreharbeiten zu einem geschmacklosen Softporno für den deutschen Markt abgeschlossen und war ganz ohne Drogen high,

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