Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
genauso schüttete und der Regen das Feuer löschen würde.
Aber in Cornwall war in jener Nacht kein Tropfen Regen gefallen. Josie hätte sich keinen besseren Tag für ihr Vorhaben aussuchen können, denn es war nicht nur trocken, sondern auch sehr windig. Sie hatte ihrem Vater eine Flasche Whisky zum Geburtstag geschenkt. Obwohl er bis acht Uhr schon etliche Gläser getrunken hatte, war er wie üblich in dumpfes Brüten versunken.
Josie spülte das Geschirr vom Abendessen ab, ihre Eltern saßen mit einem Whisky am Feuer. Alles war wie immer. Violet trug das tweedähnliche, sackförmige Wollkleid, das sie regelmäßig Anfang Oktober anzuziehen pflegte und das fast vollständig von der fleckigen Schürze verdeckt wurde. Ihre Hausschuhe hingegen, in rotem Schottenkaro mit Plüschfutter, waren neu, ein Geschenk von Ellen, das sie im Sommer mitgebracht hatte.
Albert sah in seiner schmutzigen Moleskinhose, dem Flanellhemd mit dem abgewetzten Kragen und der verschlissenen braunen Strickjacke wie ein alter Zigeuner aus. Das graue Haar, das an Rastalocken erinnerte, hing ihm bis auf die Schultern.
Josie wusste noch, wie sie angewidert die schäbige, verwahrloste Küche betrachtet hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal gestrichen worden war, den gelblichen Farbton kannte sie seit ihrer Kindheit. Der Tisch war abgeräumt worden, doch jetzt stapelten sich die alten Zeitungen, Rechnungen und landwirtschaftlichen Magazine auf der Anrichte neben verschiedenen Werkzeugen, Geschirr und Tablettenfläschchen.
Da Josie mit Ellen rechnete, war sie die Einzige, die sie kommen hörte. Die Tür flog auf, und da stand sie.
»Alles Gute zum Geburtstag, Dad!«, rief sie.
Sie trug ihren alten langen, braunen Mantel, hatte sich ein smaragdgrünes Tuch um den Hals geschlungen und war schwer bepackt. Sie roch nach frischer, kalter, sauberer Luft.
Albert sprang auf. Sein strahlendes Lächeln ließ ihn fast wieder jung aussehen.
»Dass du daran gedacht hast!« Er drückte sie so fest, dass es Josie vor Eifersucht fast übel wurde.
»Wie könnte ich das vergessen!« Ellen lachte. »Aber es war Josies Idee. Sie hat gemeint, wir müssten dir zum Sechzigsten eine richtige Überraschung bereiten.«
Josie hätte gerührt sein sollen, weil Ellen ihr Verdienst hervorhob, aber als sie beobachtete, wie sie einen Geburtstagskuchen, eine Flasche Whisky und zwei Flaschen ihres selbst gemachten Weins auspackte, fühlte sie nichts als Erbitterung darüber, dass sie selbst nicht ein einziges Mal so herzlich willkommen geheißen worden war.
»Ich hab mir gedacht, sechzig Kerzen sind dir bestimmt zu viel«, berichtete sie aufgeregt. Der Kuchen in der Kuchenschachtel war mit einem Spielzeugtraktor, einigen Plastiktieren und einer großen »60« dekoriert. »Aber eine sollte es schon sein, damit du sie ausblasen und dir etwas wünschen kannst.«
Dann wandte sie sich Violet zu, umarmte sie, gab ihr einen Kuss und überreichte ihr ebenfalls ein Geschenk.
»Sie ist zwar gebraucht«, meinte sie und verzog ein wenig das Gesicht, »aber ich hab sie in einem Wohltätigkeitsbasar entdeckt und gedacht, das ist genau das Richtige für die kalte Jahreszeit.«
Violet öffnete das Päckchen, und Josie sah, das Geschenk war, wie jedes von Ellen, mit Bedacht ausgesucht worden. Es war eine braune wasserdichte, dick wattierte Jacke mit Kapuze, genau die richtige Größe, robust genug für die Arbeit im Freien und nicht so fein, dass Violet sich gescheut hätte, sie werktags anzuziehen.
Violet schnurrte vor Freude. »Genau das, was ich brauche.« Sie lächelte und entblößte ihre grässlichen braunen Zähne. »Das ist ganz lieb von dir, Ellen.«
»Ich hab dein Auto gar nicht gehört«, bemerkte Albert.
»Ich hab es weiter oben stehen lassen; es sollte doch eine Überraschung sein«, erwiderte Ellen. »Und jetzt wird gefeiert!«
»Mach im Wohnzimmer schon mal Feuer«, wandte sich Violet an Josie. »Und stell auch die Heizung eine Weile an, damit es schneller warm wird.«
Josie zündete das Feuer an und schürte es, bis die Flammen loderten. Sie hatte es nicht eilig, in die Küche zurückzukommen, wo Albert in einem fort wiederholte, wie sehr er sich über Ellens Besuch freue und wie hübsch sie aussehe.
Als sie zu guter Letzt wieder zu den anderen ging, massierte Ellen ihrem Vater gerade den Rücken und sagte in ihrer liebevollen, fürsorglichen Art: »Armer Daddy, du bist ja ganz verspannt!«
Josie setzte ein Lächeln auf, das sie den
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