Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
schlanker geworden zu sein. Doch das alles änderte nichts daran, dass Ellen wenig begeistert über ihre Rückkehr war, weil diese nichts Gutes verhieß, das wusste sie instinktiv. Während des Essens herrschte immer wieder betretenes Schweigen. Violet spitzte die Lippen, Josie starrte auf ihren Teller. Ellen versuchte, die Situation zu retten, indem sie ihrer Stiefmutter Komplimente für ihr Aussehen machte und den neuesten Dorfklatsch erzählte. Doch keiner ging darauf ein.
»Ihr beide unternehmt jetzt einen Spaziergang«, sagte Albert zu den Mädchen, nachdem der Tisch abgeräumt und das Geschirr gespült war. »Wir haben was zu bereden.«
Violet warf Josie einen bösen, warnenden Blick zu, widersprach ihrem Ehemann jedoch nicht.
»Mum ist dumm und selbstsüchtig«, brach es aus Josie hervor, als sie die kleine Bucht erreicht hatten. »Sie hat alles kaputtgemacht.«
Josie wirkte schrecklich nervös, und Ellen konnte sich denken, warum: Violet hatte ihr Prügel angedroht, falls sie etwas ausplauderte. »Von mir erfährt niemand was«, beruhigte sie ihre Schwester. »Großes Pfadfinderehrenwort!«
Josie lächelte ein wenig. »Ach, Ellen, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!«, seufzte sie. »Ich wollte ursprünglich ja gar nicht nach Helston, weil ich dachte, es würde grässlich dort sein, aber dann ist alles ganz anders gekommen.«
Während Violet ihre Mutter in deren kleinem Haus gepflegt hatte, war Josie bei ihrem Onkel Brian und ihrer Tante Susan untergekommen. Sie hatten zwei Söhne, den siebzehnjährigen John und den fünfzehnjährigen Mark, und ein riesengroßes Haus mit sechs Schlafzimmern, einem parkähnlichen Garten und einem Tennisplatz. Brian war nach dem Krieg groß ins Baugeschäft eingestiegen, daher der Wohlstand. Josie fühlte sich wie im Paradies. Sie kam prächtig mit Mark und John aus und wurde von Onkel und Tante wie die Tochter behandelt, die sie nie bekommen hatten. Sie kleideten sie neu ein und verwöhnten sie nach allen Regeln der Kunst. Josie nahm Tanzunterricht, und da ihre Tante einer Laienschauspielgruppe angehörte, begleitete sie sie auch voller Begeisterung zu den Proben und Aufführungen.
»Ich war dort richtig glücklich«, stieß sie wütend hervor. »Nicht bloß, weil ich im Mittelpunkt stand, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass es richtig war. Das Einzige, was mir gefehlt hat, warst du. Ich hatte ein schönes Zimmer, ich konnte Platten hören, mit den Jungs Tennis spielen und schwimmen gehen, fernsehen und ins Kino gehen. Ich hab einfach dorthin gehört.«
Auf der einen Seite machten Josies Worte Ellen traurig, aber auf der anderen konnte sie sie gut verstehen. »Was ist dann passiert?«
»Grandma sagte, Mum könne das Haus nach ihrem Tod haben.« Josie schnitt eine Grimasse. »Keine Ahnung, warum Mum so scharf darauf war. Es war grauenvoll. Aber sie hat wohl gedacht, sie könnte es umbauen und sich in Helston einen Job suchen. Ihr wäre es ganz recht gewesen, wenn ich weiter bei Onkel Brian gewohnt hätte und dort auf die höhere Schule gegangen wäre. Sie hat wahrscheinlich gedacht, wenn ich bei ihnen bliebe, würden sie sich auch um sie kümmern. Dann ist Grandma gestorben, und es stellte sich heraus, dass ihr das Haus überhaupt nicht gehörte. Onkel Brian hat es schon vor Jahren gekauft, damit Grandma keine Miete mehr bezahlen musste. Er meinte, er könne es Mum auf keinen Fall überlassen, er wolle es renovieren und als Ferienhaus vermieten.«
Ellen, die an die Worte ihres Vaters über Violets Motive dachte, hätte fast laut gelacht. Wäre Josie nicht so aufgebracht gewesen, hätte sie am liebsten erwidert: »Geschieht ihr ganz recht.«
»Mum hat getobt«, fuhr Josie fort. »Wochenlang habe sie sich um die alte Schachtel gekümmert, während sich keiner von den anderen habe blicken lassen, und dafür habe sie ja wohl eine Entschädigung verdient, brüllte sie. Sie hat Gift und Galle gespuckt. Zu Brian war sie besonders gemein, und da haben natürlich alle kapiert, dass sie ihre Mutter bloß gepflegt hat, weil sie hoffte, was zu erben.«
Ellen zuckte zusammen. Sie wusste, wie bösartig Violet sein konnte.
»Du hättest Onkel Brian hören sollen! Er hat sie ganz schön fertig gemacht. Weißt du, was er gesagt hat? Sie sei absichtlich mit mir schwanger geworden, damit Dad sie hätte heiraten müssen. Dabei bräuchte sie doch überhaupt keine finanzielle Unterstützung von ihnen, hat er noch gemeint, sie habe mit der Farm schließlich selbst genug, und
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