Wenn Zauberhaende mich beruehren
vor dem Einschlafen glaubte sie, die Worte »Schlaf gut, Kady« zu hören, war sich aber nicht sicher. Ob das nun der Wind gewesen war oder nicht: Sie schlief mit einem Lächeln ein.
24. Kapitel
»Was? Ich soll was?« Einen Becher Kaffee in der Hand sah Kady Tarik Jordan erschüttert an. Es war früh am Morgen und sie waren allein in der faszinierenden Bergeinsamkeit.
»Faulenzen«, lächelte er. »Schule schwänzen. Einen Tag blaumachen.«
»Das geht auf gar keinen Fall«, erklärte Kady »Sie haben doch gar keine Vorstellung, was auf dem Spiel steht. Menschen verlassen sich auf mich. Sie haben ihr ganzes Leben lang auf mich gewartet, und ich muß unbedingt...«
»Sie warten bereits mehr als hundert Jahre. Was kann ein weiterer Tag groß ausmachen?« Er machte eine kleine Pause und fügte dann hinzu: »Spannen Sie eigentlich jemals aus, Miss Long? Tun Sie irgend etwas nur so zum Spaß, zu Ihrem Vergnügen?«
Unwillkürlich kamen tausend Erinnerungen in Kady hoch. Wie sie nach der Schule Janes Mutter bei der Hausarbeit geholfen hatte, die anstrengende Kochausbildung, weitere Abendkurse und am Wochenende die Aushilfe in Partyküchen, um sich das Schulgeld zu verdienen. Dann kamen das Onions und Gregory. Seine Vorstellung von »Spaß und Vergnügen« bestanden darin, Kady ein Dinner für dreißig Leute kochen zu lassen, die seiner politischen Karriere förderlich sein konnten. Dann führte sie das Schicksal nach Legend, und manchmal waren ihre intensivsten Erinnerungen daran ihre Angst, nie wieder nach Hause zurückkehren zu können. Danach kamen die Sorgen um einen neuen Arbeitsplatz, und jetzt...
Tariks Lachen ließ sie verstummen. Verdutzt sah sie ihn an.
»Lassen Sie gerade Ihr Leben Revue passieren?« fragte er. Und als sie große Augen machte, fügte er hinzu: »Falls Sie sich fragen, ob ich Ihre Gedanken lesen kann, dann lautet die Antwort: Ja, ich glaube, ich kann es. Mein Vater hielt die Kindheit für eine Vorbereitung auf den Streß des Erwachsenenlebens. Und da ich eines Tages die Verantwortung für etliche Millionen zu übernehmen hatte, sorgte er dafür, daß ich meine Tage in der Schule und über Büchern verbrachte. Danach wurde mir die Leitung der Jordan Company auf die Schultern geladen. Ich glaube, daß es in meinem Leben ungefähr soviel Spaß gegeben hat wie in Ihrem. Na, was halten Sie davon, wenn wir einen Tag blaumachen?«
»Was wollen Sie von mir?« fragte sie mißtrauisch.
»All Ihre weltlichen Güter«, antwortete er und lächelte. Auch Kady mußte lächeln.
»Die könnten Sie in einer Hand wegtragen«, erwiderte sie. »Ich bin dreißig Jahre alt, aber mir gehört nichts, buchstäblich nichts. Im Moment habe ich nicht einmal einen Job.«
Er schnalzte ungläubig mit der Zunge. »Aber eine
Köchin mit Ihrem Ruf muß doch Hunderte von Stellenangeboten haben.«
»Ein paar«, sagte Kady bescheiden und sah in ihren Kaffeebecher. Er hatte die Kaffeebohnen gemahlen und ihr nicht erlaubt, ihm bei der Zubereitung der Buchweizenpfannkuchen zu helfen.
»Kommen Sie«, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen. »Nehmen wir uns einen Tag frei.«
Als Kady zu ihm aufblickte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Es war die Geste, die sie Tausende Male in ihren Träumen gesehen hatte. Im Moment lag die untere Hälfte seines Gesichts im Schatten, aber ein Sonnenstrahl drang durch das Laubwerk und beleuchtete seine Augen.
»Kommen Sie, habibi«, sagte er leise, zärtlich. »Diesmal können Sie mich erreichen.«
Kadys Gefühl und ihr Widerstand fochten einen erbitterten Kampf miteinander aus, doch dann erinnerte sie sich daran, wie oft sie in ihren Träumen vergebens nach ihm gegriffen hatte. Sie streckte die Hand aus, sehr vorsichtig zunächst, doch dann, als sie sich seinen Fingerspitzen näherte, lächelte sie ihn an und legte ihre Finger in seine Hand.
Auflachend hob er Kady hoch und wirbelte sie herum. Einen Moment lang mußten sie beide lachen, laut und unbeschwert.
Doch sehr schnell kam Kady wieder zur Vernunft. »Mister Jordan«, wies sie ihn zurecht. »Ich denke, wir sollten...«
Noch immer lächelnd setzte er sie ab, legte aber beide Hände auf ihre Schultern. »Ich denke, heute können wir auf das Denken verzichten«, sagte er leise.
Kady versuchte, sich an ihre Abneigung gegen den Mann zu erinnern, aber das fiel ihr nicht leicht. Vergiß nicht, daß er ein Eisblock ist, sagte sie sich. Vergiß nicht, daß er eine andere heiraten wird. Vergiß nicht, daß er reich und berühmt
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