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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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wußte zwar, daß ich gut, aber nicht, daß ich so gut war. Als ich dann die Jubelrufe, das Händeklatschen und Pfeifen und auch den Zwischenruf »Spät wie immer« hörte, dämmerte es mir, daß es ein Fehler war, als Arzt der Gemeinde einen Arzt zu spielen.
    Das Publikum beruhigte sich.
    Ich wollte gerade erklären, daß Mr. Dale eines natürlichen Todes gestorben sei, als Mrs. Blessington in ihrer Verwirrung eine halbe Seite übersprang und mich in einer innigen Umarmung umklammerte.
    Donnernder Applaus, außer von Sandra, wie ich bemerkte.
    Als ich mich freigekämpft hatte, fragte ich: »Oh Gott! Was ist mit Ihrem Mann passiert?«
    Die Zeile kam ungeheuer gut an beim Publikum.
    Mrs. Noakes küßte mich in ihrer Verwirrung. Mrs. Blessington küßte mich nochmals. Mr. Dale hüstelte. Im Saal herrschte jetzt eine Stimmung wie beim Galaabend der Komiker im Palladium; nur Sandra fand es noch immer nicht komisch.
    Ich war überrascht, als auf einmal Bumbly Bill Hawsbury durch die Verandatür die Bühne betrat und brummte: »Wo ist der Patient?«
    Mr. Dale sprang vom Sofa auf und rief beunruhigt: »Ich spiele nur einen Toten, Doktor Hawsbury.« Mrs. Blessington und Mrs. Noakes küßten Bill Hawsbury. Doktor Quaggy kam von links und fragte energisch: »Was ist hier los? Ich bin gerade erst gekommen.«
    Mrs. Blessington küßte Doktor Quaggy. Zwei junge Männer kletterten auf die Bühne und verkündeten, daß sie Stationsärzte von der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses seien, und ob sie mitmachen könnten? Doktor Quaggy fragte böse: »Ist das hier ein Schuljungenstreich, Richard? Ein solches Verhalten bei einem Kollegen hätte ich wahrhaftig nicht erwartet.«
    Ich sagte: »Das ist eben Show Business.«
    Ich hatte das komische Gefühl, daß er mich an jemanden anderen erinnerte.
    Doktor Quaggy fuhr wütend fort: »Mir wurde gesagt, daß hier ein schwerkranker Mann liegt. Ich bin stolz auf meinen Sinn für Humor, aber das hier ist einfach geschmacklos.«
    Er bemerkte Mr. Dale, der auf dem Sofa wieder seine Position als Leiche eingenommen hatte.
    »Ah, da ist der Patient. Gut, wer nimmt die Herzmassage vor? Ich werde die Mund-zu-Mund-Beatmung durchführen.«
    »Kommen Sie mir nicht zu nahe, ich bin gesund.« Mr. Dale sprang vom Sofa auf und ging durch die Mitte ab. Er stieß dabei mit Inspektor Dogged zusammen, der unter den Rufen »Sperrstunde, bitte!« erklärte: »Alles in Ordnung, ich habe einen Krankenwagen gerufen.«
    Das Theater glich jetzt einem Stadion, nachdem Liverpool den Ausgleichstreffer erzielt hat. Nur Sandra tobte nicht mit.
    Mrs. Noakes trat funkelnden Auges nach vorn ins Rampenlicht und rief: »Ihr undankbaren Scheißkerle!« und spuckte ins Publikum.
    Die beiden jungen Arzte küßten Mrs. Blessington. Mr. Wilbrahams kam in Hemdsärmeln durch die Verandatür und verkündete, er könne den Vorhang nicht herunterlassen, da der Sandsack Teil des Mechanismus gewesen sei; aber das Publikum könne an der Theaterkasse sein Geld zurückverlangen.
    Ich sah, wie der Beleuchter sich in den Armen der Souffleuse aufrichtete und den Kopf schüttelte. Ich folgte dem Krankenwagen ins Hospital und ließ den Verletzten, der sich bereits zu erholen schien, in der Notaufnahme zurück.
    Ich fuhr in die Foxglove Lane zurück. Sandra war im Wohnzimmer. Auf dem Tisch standen eine Flasche Talisker und ein Glas. Ich fragte sie, wie ihr die Aufführung gefallen habe.
    »Du warst großartig«, sagte Sandra ruhig.
    Ich starrte sie an.
    »Du warst der einzige, der nicht ärgerlich oder aufgebracht aussah, sondern einfach nur bedauernswert.«
    Ich trank den Talisker. »Hat wirklich jeder sein Geld zurückverlangt?«
    »Nicht ein einziger. Aber nur deshalb nicht, glaube ich, weil alle Zuschauer von den Darstellern Freikarten bekommen hatten. Darum war dieses Fiasko auch so traurig. Wie furchtbar die Laienspielgruppe auch sein mag - arbeiten die Amateurschauspieler nicht hart genug, um für ihre Freunde einen geselligen Abend zu veranstalten? Und was gibt es Herzzerreißenderes als einen geselligen Abend, der ein Flop wird?«
    Ich stimmte ihr zu. Mrs. Noakes letzte Bemerkung war einer der aufrichtigsten Sätze gewesen, die je auf einer Bühne geäußert wurden. Ich setzte aus heiterem Himmel hinzu: »Ich verstehe nicht, warum mich Mrs. Blessington und Mrs. Noakes andauernd geküßt haben.«
    »Ich schon«, erklärte Sandra. »Schließlich warst du die Vaterfigur im Ensemble. Mir ist schon oft aufgefallen, daß die beiden - wie

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