Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
machte sie traurig. Das bedeutete, dass jetzt ein Mensch alles verloren hatte.
    »Ein Mann in einem dunklen Anorak«, sagte Reinhardt, »der in einem hellen Wagen verschwunden ist. Wir haben ihnen doch sehr viel mehr Details genannt. Ich meine, wie er angezogen war, und dass er hinkt, warum sagen sie das nicht?«
    Kristine zuckte mit den Schultern.
    »Er hat wohl nicht direkt gehinkt«, sagte sie, »er hatte nur einen seltsamen Gang. Vielleicht erinnern wir uns auch nicht richtig, vielleicht können wir uns auf unser Gedächtnis nicht verlassen. Außerdem«, fügte sie hinzu, »waren wir in einigen Punkten nicht derselben Ansicht.«
    »Nein«, wies er sie ab. »Wir waren einer Meinung und wir irren uns nicht. Ich bin klar hier oben«, fügte er hinzu und tippte sich mit einem Finger an die Schläfe. Dann beugte er sich wieder über die Zeitung, die ebenfalls ausführlich über Jonas berichtete. Kristine ließ den Kopf an die Stuhllehne sinken und ruhte sich aus, die Hände im Schoß gefaltet. Dann war alles still, bis die Türklingel ging. Reinhardt fuhr hoch, Kristine blieb sitzen und betrachtete das flackernde Kerzenlicht.
    Und dann betraten sie lächelnd das Wohnzimmer. Irmelin hielt eine Blume in den Händen, eine kleine Begonie. Reinhardt ging in den Keller und brachte einen Dreiliterkarton Chablis.
    »Holst du Gläser, Kristine?«, rief er. Die Gäste setzten sich an den Tisch, Irmelin, dunkel und zierlich, Kjell, kräftig und mit schütterem Haar. Er redete über seine Arbeit als Chiropraktiker und die anderen hörten zu. Ein junges Mädchen hatte während der Behandlung seinen Kittel vollgespuckt, sie konnte das Geräusch der sich verschiebenden Knochen nicht ertragen. Ein Kollege war in eine schreckliche Geschichte geraten, eine Frau war nach der Behandlung querschnittgelähmt.
    »Und ihr«, fragte er endlich. »Gibt’s was Neues?«
    Genauso gut hätte er einen Scheinwerfer auf Reinhardt richten können.
    »O ja«, sagte Reinhardt, »seit wir uns zuletzt gesehen haben, sind dramatische Dinge geschehen. Ihr habt doch sicher Nachrichten gehört.«
    »Dramatische Dinge?«, fragte Kjell.
    »Jonas August Løwe«, sagte Reinhardt, »der Junge, der oben bei Linde gefunden worden ist.«
    Jetzt, wo das Thema zur Sprache gebracht worden war, wurden alle vier ernst und es dauerte eine Weile, bis das Gespräch weiterging.
    »Er wurde von zwei Spaziergängern gefunden«, erklärte Reinhardt. »Von einem Paar, das jeden Sonntag nach Linde hinaufgeht.«
    Kjell schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Sagt nicht, dass ihr das wart!«
    Reinhardt stützte die Ellbogen auf den Tisch.
    »Doch«, sagte er, »wir waren das, wir sind schon vernommen worden.«
    »Warum seid ihr denn vernommen worden?«, fragte Kjell.
    »Weil uns ein Mann begegnet ist«, sagte Reinhardt, »der unter Verdacht steht. Wir haben ihn bei der Schranke getroffen, und jetzt wird nach ihm gefahndet. Natürlich nur, weil sie ihn als Zeugen brauchen, aber das sagen sie ja immer. Wenn ihr mich fragt, dann sah er absolut schuldig aus, der kleine Arsch.«
    »Wahrscheinlich hat er nur einen Spaziergang gemacht, so wie ihr«, sagte Kjell.
    »Da oben sind fast nie Leute«, erklärte Reinhardt. »Außerdem sah er total gestört aus.«
    »Jetzt erzählt doch endlich«, bat Irmelin.
    »Nun, wir waren oben beim See«, sagte Reinhardt, »und dann sind wir wieder zum Auto zurückgegangen. Wir gingen durch den Wald und da lag er einfach auf dem Boden, auf dem Bauch, mit dem Gesicht nach unten. Es war nicht schwer zu erraten, was da passiert war. Wenn ihr versteht, was ich meine.«
    Hier legte er eine Pause ein, um seine Worte wirken zu lassen.
    »Wir trauten unseren Augen nicht«, sagte er. »Dann habe ich die Hundertzwölf angerufen und sie brauchten zwanzig Minuten für den Weg. Kristine hat gezittert wie Espenlaub.«
    »Aber dieser Mann an der Schranke«, sagte Irmelin, »hattet ihr den vorher schon mal gesehen?«
    »Nie im Leben«, sagte Reinhardt.
    »Der hatte einen seltsamen Gang«, sagte Kristine. »Ich meine, er hat nicht gehinkt, aber er ging mühsam. Er warf das Bein sozusagen auf eine komische Weise vornüber.«
    »Ich hab auf eine Prothese getippt«, sagte Reinhardt. »Und wenn er es war, müssen wir sicher gegen ihn aussagen.«
    Kjell schüttelte resigniert den Kopf. »Ja, das hättest du wohl gern, ich kenne dich doch. Herrgott, Reinhardt, du hast einfach einen Typen im Wald gesehen. Komm wieder auf den Boden, Mann.«
    »Vielleicht ist er nur zusammengezuckt«,

Weitere Kostenlose Bücher