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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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können zu Befindlichkeitsstörungen führen. Diese sind aber meist kurzfristiger Natur und wachsen sich nur dann zu einer handfesten Depression aus, wenn andere Faktoren hinzukommen. Die sozialen Lebensumstände einer Frau, ihre Beziehungserfahrungen und ihre Alltagsbelastung dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Frauen sind nicht per se durch ihren Hormonhaushalt das biologisch schwache Geschlecht. Die Biologie der Frau ist, wenn überhaupt, nur ein Puzzlesteinchen im Ursachenbild der weiblichen Depression.
Sind es die Gene?
    Fragt man nach den Ursachen der Depression, bekommt man von der Wissenschaft in jüngster Zeit nicht nur den Hinweis auf die angeblich wichtige Rolle weiblicher Hormone, sondern erfährt auch von einer weiteren möglichen biologischen Ursache: dem Depressionsgen. Dieses soll verantwortlich dafür sein, dass ein Mensch unter besonders belastenden Lebensumständen eine Depression entwickelt. Tatsächlich kommt Depression gehäuft in Familien vor und das Risiko zu erkranken ist größer, wenn bereits ein Elternteil oder ein Geschwister erkrankt ist. Doch was für Hormone gilt, gilt auch für Gene: Das genetische Risiko erklärt nur einen Teil der Geschichte. Genetische Faktoren sind höchstens für ein Drittel der Erkrankung zuständig. Die anderen zwei Drittel sind auf andere Einflüsse zurückzuführen.
    Ob eine Frau mit genetischem Risiko auch wirklich depressiv wird, hängt davon ab, was in ihrem Leben geschieht. Fast jeder, | 50 | der depressiv erkrankt, hat ein ernsthaftes Stresserlebnis hinter sich. Frauen mit einem genetischen Risiko für Depression reagieren möglicherweise auf der biologischen Ebene stärker auf Stress, und diese Reaktion mag eine Rolle spielen bei der Erkrankung. Ist vom genetischen Einfluss auf die Entstehung einer Depression die Rede, muss also unbedingt danach gefragt werden, welche Umstände die Gene »anschalten«. Die Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber meint dazu: »Sicher kann man eine genetische Komponente nicht leugnen. Aber die Frage ist doch: Wann entfalten diese Gene ihre Wirkung? Verursachen biologische Prozesse die Depression – oder ist es nicht eher umgekehrt? Verändern nicht chronische Depressionen auch neurobiologische Prozesse? Veranlagung alleine erklärt die Entstehung von Depressionen nicht. Immer spielen Umweltfaktoren eine wichtige Rolle. Monokausale Erklärungen greifen zu kurz.«
    Vor allem Art und Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen scheinen einen starken Einfluss darauf zu haben, ob eine genetische Vorbelastung zu einer Depression führt. Der Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer weist darauf hin, dass »Bedrohung, Überforderung, insbesondere aber Gefährdung oder Entzug bedeutsamer Beziehungen« zahlreiche Gene aktivieren können, die dann die Stressreaktion des Körpers in Gang setzen. So belegen Studien, wie Bauer erklärt, »dass das erstmalige Auftreten einer depressiven Phase im Leben eines Menschen fast immer durch ein schweres Belastungs- oder Verlustereignis ausgelöst wird.« Diese Stresserfahrungen aktivieren bestimmte Gene, erst dadurch wächst das Erkrankungsrisiko und auch das Risiko für Rückfälle und für die Chronifizierung der Depression, wie Bauer ausführt: »Weitere, nach einer ersten Phase auftretende depressive Episoden werden dann möglicherweise durch harmlose Belastungsereignisse ausgelöst. Am Ende kann es sogar ohne konkreten Auslöser zu depressiven Erkrankungen kommen. Dies ist | 51 | ein weiteres Beispiel dafür, wie einmalige Genaktivierungen einen biologischen ›Fingerabdruck‹ hinterlassen können.«
Typisch Frau
    Neben den Hinweisen auf biologische oder genetische Faktoren taucht in der Literatur noch regelmäßig eine weitere Erklärung auf: Das höhere Depressionsrisiko von Frauen liegt demnach in ihrer Persönlichkeit begründet. Und hier werden vor allem folgende, angeblich »typische« Eigenschaften von Frauen genannt:
ihr Attributionsstil,
ihr mangelndes Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit,
ihre Neigung zum Grübeln.
    Der besondere »Attributionsstil« von Frauen: Wenn einem etwas Schlimmes zustößt, fragt man ganz automatisch nach dem »Warum«: Warum bin ich krank geworden? Warum hat mich mein Partner verlassen? Warum habe ich den Job verloren? Warum hatte ich diesen Unfall? Welche Antworten man sich auf diese Fragen gibt, hängt vom eigenen Denkstil ab, also von der Art und Weise, wie man auf die Welt blickt. Wie man Geschehnisse interpretiert und was man von

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