Wer bist du, schöne Juno
innerhalb von Wochen durch eine erfahrenere Kurtisane ersetzt.
Die Karriole ruckte an und fuhr los. Die Sonne schien Helen ins Gesicht. Sie legte den Kopf in den Nacken und atmete tief den Geruch der nach dem Regen frisch riechenden Natur ein.
„Wir sollten eigentlich zu einem verspäteten Frühstück in Ilchester sein.“
Helen wünschte sich, der Earl hätte nichts vom Essen gesagt. Entschlossen, nicht an den knurrenden Magen zu denken, suchte sie nach unverfänglichem Gesprächsstoff.
„Sie erwähnten, Sie hätten Ihren wichtigsten Landsitz besucht. Liegt er in der Nähe?“
„Auf der anderen Seite von Taunton.“
„Sie waren einige Zeit fort, nicht war? Haben Sie das Anwesen sehr verändert vorgefunden?“
Martin schnitt eine Grimasse und antwortete: „Dreizehn Jahre schlechte Verwaltung haben leider Spuren hinterlassen.“
Das Schweigen, das dieser Eröffnung folgte, unterstrich den Ärger, der aus dem Ton des Earl geklungen hatte.
Martin bemühte sich, den Eindruck abzumildern, und sagte: „Meine Mutter lebt da. Seit einigen Jahren ist sie leidend. Meine Schwägerin fungiert als ihre Gesellschafterin, ist jedoch leider ein Niemand und nicht der Mensch, der Staub aufwirbelt, wenn die Teppiche plötzlich verschwunden sind.“
„Verschwunden?“
Schockierte Ungläubigkeit hatte aus dem Ton der schönen Juno geklungen und malte sich in ihren Augen.
„Ich befürchte, das Haus ist, abgesehen von den Räumen meiner Mutter, kaum bewohnbar“, sagte Martin gelassen. „Nachdem ich jetzt hier bin, werde ich hoffentlich imstande sein, es wieder in den vorherigen Zustand zu versetzen. Und nun sollten wir uns damit befassen, wie wir Sie am besten zurückbringen. Ein Wort von Ihnen, und ich kutschiere Sie vor Ihre Haustür“, fügte er hinzu und warf einen Blick auf das schöne Gesicht der neben ihm sitzenden Frau.
„Ich glaube nicht, daß das sehr weise wäre“, erwiderte sie.
„Vielleicht nicht. Ich hatte gehofft, daß die Förmlichkeit der Londoner Gesellschaft etwas abgenommen hätte, aber es ist eindeutig, daß die Etikette, dieser besondere Stolperstein, in den vergangenen Jahren nicht zu Staub zermahlen wurde“, sagte Martin, schaute lächelnd in die großen Augen der Dame und war bemüht, seiner Miene einen möglichst unschuldigen Ausdruck zu verleihen. „Wie dann?“
Helen verengte die Augen, starrte ihn hart an und antwortete: „Ich hatte angenommen, Sir, daß jemand Ihres Rufes keine Schwierigkeiten haben würde, eine so unbedeutende Schwierigkeit zu bewältigen. Wenn Sie sich darauf konzentrieren, wird Ihnen gewiß etwas einfallen.“
Das war eine entschieden impertinente Bemerkung, die eine entschieden kühne Erwiderung erforderte.
„Ich befürchte, meine Liebe, daß Sie, wenn Sie genauer über meinen Ruf nachdenken, merken werden, daß ich nie jemand war, der Rücksicht auf die guten Sitten genommen hat.“
Helen erkannte ihren taktischen Fehler und zog sich hinter eine Unschuldsmiene zurück.
„Ich nehme an, daß es das beste ist, wenn wir kurz vor Hounslow eine kleinere Herberge aufsuchen. Dort werde ich Ihnen eine Chaise mit Kutscher mieten. Sobald Sie die Peripherie von London erreicht haben“, fügte er, da die Dame nach wie vor die Stirn furchte, lächelnd hinzu, „können Sie ihm Instruktionen geben, wohin Sie zu bringen sind.“
"Ja, ich glaube, das geht“, sagte sie und bemühte sich in Anbetracht des Umstandes, daß die grauen Augen des Earl eine seltsame Macht über sie zu haben schienen, die Ruhe zu bewahren.
Einen Moment lang war sie wie gebannt gewesen, gänzlich des eigenen Willens beraubt und vollkommen dem Earl ausgeliefert. Und das war ein sehr köstliches Gefühl gewesen.
Ihre widerstrebend vorgetragene Einwilligung veranlaßte Martin zu einem Lächeln, das er jedoch rasch unterdrückte. Welch äußerst umgängliche und doch so unschuldige Göttin sie doch war! Sein bereits großes Interesse an ihr wuchs von Minute zu Minute. Es war gut, daß sie sich abends trennen mußten.
Aus dem Bedürfnis, diesen Punkt zu unterstreichen, sagte er: „Wir dürften Hounslow vor dem Dunkelwerden erreicht haben.“
Die Weiterfahrt verlief in Schweigen. Martin grübelte darüber nach, wie er sich erkundigen könne, welchen Namen die Dame trug.
Sie grübelte über ihn nach. Er war zweifellos der attraktivste Mann, den sie je kennengelernt hatte.
„Verbringen Sie viel Zeit auf dem Land, schöne Dame?“
Die Frage riß sie in die Wirklichkeit zurück.
„Ich
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