Wer bist du, schöne Juno
angeschlagenen Tones verzichtete er auf die Bemerkung, die ihm auf der Zunge gelegen hatte. Er war versucht, ihr zu befehlen, Swayne zu meiden, hatte indes noch nicht das so weit reichende Recht. Er unterdrückte diesen Wunsch mit dem Gedanken, bald in der Lage zu sein, sicherzustellen, daß sie Swayne nicht wiedersah.
Wiewohl er den Befehl nicht geäußert hatte, verstand Helen dennoch sehr gut. Als die Musik verklang, war Helen vollkommen verstimmt, denn nun hatte sie nicht mehr die Möglichkeit, das besonders berauschende Gefühl zu genießen, in den Armen des Earl leicht wie eine Feder über das Parkett zu schweben. Seine Äußerungen über Swayne hatten sie abgelenkt, und nun war der Walzer, ärgerlicherweise der letzte an diesem Abend, zu Ende.
Dennoch machte sie das Beste aus dem Rest des Abends. Am Arm des Earl schritt sie zum Souper. Sie hatte es aufgegeben, sich einzureden, der Earl meine es nicht ernst. Er konnte sehr ernst sein, wenn er es wollte, und was das Thema ihrer Zukunft betraf, so war er unerschütterlich. Es war einfach nicht möglich, die Absichten eines Gentleman miß zuverstehen, der eindeutig klargemacht hatte, daß er den Vergnügungen des ton nur beiwohnte, weil er die Gesellschaft einer ganz bestimmten Dame suchte. Die Tatsache, daß sie selbst diese Dame war, machte sie nervöser, als sie je im Leben gewesen war.
Es war das erste Mal, daß sie wirklich liebte. Es war das erste Mal, daß sie geliebt wurde. Ein Gedanke, der sie beglückte und zugleich verwirrte.
Am Ende des Abends, als sie in der über das Kopfsteinpflaster rumpelnden Kutsche saß, die sie nach Haus zurückbrachte, wo ein leeres Bett sie erwartete, lehnte sie sich seufzend zurück und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Sie flehte Gott an, daß es diesmal wirklich anders sein möge, daß diesmal das Schicksal sich überwinden könne, gütig zu sein, daß diesmal ihre Träume sich nicht in Schall und Rauch auflösen würden, daß auch ihr schließlich ein Glück beschieden sei, wie Dorothea es gefunden hatte.
Leicht erschauernd, schloß sie die Augen und wünschte sich ganz fest, es möge so sein.
Damian Willesden kam am nächsten Tag nach London zurück. Durch die Folgen finanzieller Verpflichtungen gezwungen, hatte er, bis der vierteljährliche Zahltag ihm Erleichterung verschaffte, bei einem Freund auf dem Land Zuflucht suchen und einen längeren Aufenthalt ertragen müssen. Nun betrat er Manton, um hier, wo die Gentlemen ihre Treffsicherheit beim Schießen vervollkommnten, in gleichgesinnter Gesellschaft einen Ausgleich für die verlorene Zeit zu schaffen. Statt dessen traf er den Bruder an.
Abgesehen von der knappen Mitteilung, er sei wieder im Lande, hatte er eine zweite Überraschung parat gehabt, als Damian sich um Unterstützung an ihn gewandt hatte. Durch das Gespräch, das zwei Tage nach Martins Rückkehr stattgefunden hatte, war Damian bewußt geworden, daß er, solange der Bruder lebte, nichts von dessen Einkünften sehen würde.
Martin sah den Bruder an der Tür stehen. Er nickte und beobachtete ihn, als er sich ihm sichtlich widerstrebend näherte. Er konnte es sich nicht versagen, die Lippen zu einem vielsagenden Lächeln zu verziehen, als ihm einfiel, daß es nur noch zwei Tage bis zum vierteljährlichen Zahltag waren.
Damian bemerkte das Lächeln und setzte eine mürrische Miene auf.
Mit vierundzwanzig Jahren hätte er, wie Martin fand, eigentlich im dem
Alter sein müssen, in dem man zur Vernunft gekommen war und Reife erlangt hatte. Doch sein schmollendes Gebaren, das mit der Erwartung einherging, die Angehörigen müßten ihn bei seinem verschwenderischen Verhalten notwendigerweise unterstützen, hatte Martin überzeugt, daß der Bruder immer noch weit davon entfernt war, gereift zu sein.
„Bist du zu den Vergnügungen zurückgekehrt, die London zu bieten hat?“ fragte er, sobald Damian bei ihm war, und zog die Brauen hoch.
„Für meinen Geschmack ist auf dem Land nichts los“, antwortete Damian und zuckte mit den Schultern.
Er überlegte, ob er Martin um einen Vorschuß auf seine Apanage bitten solle, verwarf den Gedanken jedoch. Noch war er nicht in einer so verzweifelten Lage.
„Warum versuchst du nicht dein Glück?“
Einen Moment lang war Damian unschlüssig.
„Gott bewahre!“ antwortete er dann und schob die Pistole, die der Bruder ihm hinhielt, beiseite. „Das ist nicht mein Stil. Ich habe nichts von einem wütenden Ehemann zu befürchten.“
Ein wenig überrascht durch
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