Wer Boeses saet
fürchte, ja.«
»Wollen Sie denn nicht fragen, ob mir sonst noch etwas aufgefallen ist?«
»Weshalb? Ist das denn der Fall?
»Ich weiß ja nicht, ob das interessant für Sie ist …«
Sie lächelte und genoss ihre Wirkung.
»Ich höre.«
»Setzen Sie sich, junger Mann.«
Die Polizeibeamten nahmen wieder Platz, während sie sich noch eine Tasse Eisenkrauttee einschenkte. Sie zierte sich noch ein bisschen, bevor sie loslegte.
»Das Ganze geschah letzten Sonntag. Das war das letzte Mal, dass ich die junge Frau gesehen habe. Sie hat sich wie üblich dort drüben hingesetzt, sich einen Perrier Menthe bestellt und angefangen, in einer Zeitschrift zu lesen. Aber diesmal ist niemand erschienen. Nach einer Stunde ist sie wieder gegangen.«
Stille. Sie nahm einen kleinen Schluck Kräutertee. Marchand wollte wissen, wie es weiterging, und saß wie auf glühenden Kohlen.
Dann fuhr sie fort:
»Von hier aus kann ich die Straße ganz wunderbar überblicken. Wenn man nicht viel zu tun hat, ist das eine gute Methode, sich die Zeit zu vertreiben …«
Der Beobachtungsposten lag an einem strategischen Punkt. Auf einen Blick konnte man das ganze Umfeld erfassen.
Sie erzählte weiter:
»Sobald die junge Frau das Lokal verlassen hatte, hielt auf ihrer Höhe ein Wagen an. Es sah aus, als habe er auf sie gewartet. Das Fenster wurde heruntergelassen, und dann unterhielt sie sich eine Weile mit dem Fahrer. Sie zögerte offenbar noch ein bisschen, aber am Ende ist sie in den Wagen gestiegen.«
Julias Theorie bekam neue Nahrung. Léo war gekommen. Er hatte Lucie von draußen beobachtet, ohne das geringste Risiko einzugehen. Und dann hatte er sie überzeugen können, mit ihm zu fahren – wie er das angestellt hatte, war François allerdings schleierhaft. François versuchte, sich wieder zu beruhigen, und setzte die Befragung fort.
»Das Auto, erinnern Sie sich daran?«
»Ein Renault Mégane Break. Nagelneu. Ich kenne mich eigentlich nicht aus, aber mein Mann fuhr denselben Wagen.«
»Welche Farbe?«
»Weiß.«
»Haben Sie den Fahrer gesehen?«
»Es war schon dunkel. Ich konnte nur den Umriss erkennen. Aber ich kann Ihnen mit Gewissheit sagen, dass er kahlköpfig war. Der hatte nicht ein Härchen auf dem blanken Schädel. Und er war sehr kräftig.«
Léos Porträt nahm Form an. Und hatte nichts mit dem Foto gemein, das sie aus dem Internet heruntergeladen hatten. Der Kommissar beendete die Vernehmung mit der Tausendeurofrage:
»Das Nummernschild vielleicht?«
Die Superoma konzentrierte sich.
»Schwierig. Ich mache zwar immer Kreuzworträtsel, aber mein Gedächtnis beginnt mich manchmal im Stich zu lassen.«
»Versuchen Sie’s.«
Zwei, drei spannende Sekunden. Dann hatte sie wieder einen selbstsicheren Gesichtsausdruck.
»Es war eine Vierundachtziger-Nummer. Da bin ich mir ganz sicher. Was den Rest angeht …«
Egal. Damit hatte François ja schon einiges in Erfahrung gebracht. Ein weißer Renault Mégane, Modell Break, seit Kurzem im Departement gemeldet. Sie würden die Fahrzeugscheindatenbank durchkämmen müssen und die der gestohlenen Fahrzeuge auch. Eine langwierige Recherche, aber am Ende würde man die Kiste schon finden.
Die Stimme der alten Dame riss ihn aus seinen Gedanken:
»Aber an den Namen der Werkstatt, da kann ich mich noch genau erinnern.«
»Wie bitte?«
»Die Werkstatt, die das Auto verkauft hat, wissen Sie. Sie machen immer einen Aufkleber auf das hintere Nummernschild. Mit ihrer Telefonnummer darauf.«
Der Profiler starrte sie an.
»Und welche Werkstatt war das?«
»Bouvin in Avignon. Ich erinnere mich gut. Wir hatten unseren Mégane auch bei denen gekauft.«
François drehte sich zu Julia um.
Sie war schon aufgestanden.
11
Mit einer heißen Spur kehrten sie nach Avignon zurück.
Jetzt hatten sie vielleicht das Fahrzeug, dessen sich der Mörder bedient hatte. François erwartete nicht, dass der Break ihm gehörte, aber es war schon mal ein erster Anhaltspunkt. Man würde ihn ausfindig machen, ihn genau unter die Lupe nehmen und eventuelle Zeugen um ihre Mithilfe bitten. Mit ein klein wenig Glück würde etwas dabei herauskommen.
Die Autowerkstatt Bouvian lag mitten im Gewerbegebiet. Dieses wurde von einer mit Radaranlagen gespickten vierspurigen Fahrbahn durchschnitten wie ein Fluss aus Asphalt, auf dem Metallkarossen transportiert wurden.
Siebzehn Uhr. Der Verkehr wurde allmählich dicht. François befolgte Julias Anweisungen haargenau, umrundete zahllose Kreisverkehranlagen,
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