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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Descosse
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sich über den Körper hergemacht. Ein echter Besessener. Ein Detail machte den Profiler stutzig.
    »Sie hatten von schweren Blutungen gesprochen. Der Junge war also noch nicht tot, als ihm die Schnittwunden beigebracht wurden?«
    »Nein. Bewusstlos wahrscheinlich, aber immer noch am Leben.«
    »Das Feuer hat ihn nicht umgebracht?«
    »Dazu brannte es nicht lang genug. Es hat die Dermis und die Epidermis verbrannt, aber diese Verletzungen waren nicht tödlich.«
    »Glauben Sie, er hat das Feuer gelöscht?«
    »Oder er hat nicht genug Benzin verwendet. Das kommt aufs Gleiche raus.«
    François nickte. Sie fuhr in ihrer Lektüre fort:
    »Es wurden sechsunddreißig Messerstiche gezählt. Tiefe Wunden, zwölf Zentimeter tief, hauptsächlich an der Vorderseite des Thoraxes. Die Einstiche sind anderthalb Zentimeter breit, was auf ein Küchenmesser hindeutet. Wir werden das Profil der Wunden noch genauer untersuchen …«
    Blick zu Kellermann. Er stand mit ernster Miene und verschränkten Armen da.
    »Acht Stiche waren tödlich. Das Herz wurde an mehreren Stellen perforiert, ebenso die Lunge, der Magen und die Nieren. Es kam zu heftigen inneren Blutungen …«
    »Können Sie bestätigen, dass der Tod erst vor Kurzem eingetreten ist?«
    »Nach meinen Berechnungen hat der Mord in der Nacht von Montag auf Dienstag stattgefunden. Zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens.«
    Dasselbe Zeitfenster wie beim ersten Mal. War das ein bloßer Zufall oder die Verbindung zwischen den beiden Verbrechen? Vorerst wollte er sich lieber auf den einzigen übereinstimmenden Punkt beschränken, der ihm von Interesse schien.
    »Doktor, glauben Sie, dass der Täter sein Opfer ausbluten lassen wollte?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Dafür sorgen, dass es keinen einzigen Tropfen Blut mehr in den Adern hat. Wie für eine Art Ritual.«
    Meurteau zog die Stirn kraus.
    »Das könnte ich nicht mit Sicherheit bestätigen. Wenn man jemanden ausbluten lassen will, ist es besser, man schneidet ihm die Arterien auf. Das ist effizienter als zufällige Stiche. Für mich sieht das eher nach einem Wutanfall aus. Wahrscheinlich die Folge von Frustration.«
    Pech gehabt! Diese Interpretation verwies sie wieder zurück zum Anfang. Die Rechtsmedizinerin wollte schon weiterlesen, aber François fragte sie:
    »Haben Sie noch etwas herausgefunden, das uns weiterhelfen könnte?«
    Meurteau blätterte schnell ihren Bericht durch.
    »Nein, der Rest ist uninteressant.«
    »Keine Vergewaltigung?«
    »Kein Hinweis darauf.«
    Marchand sah zum Opfer hinüber. Wie es da so unter dem Laken lag, sah es aus, als würde es schlafen.
    »Kann ich mal einen Blick auf ihn werfen?«
    »Tun Sie das.«
    Er trat näher. Kellermann folgte ihm. Der Profiler überwand seinen Ekel und hob das Laken an.
    Pierre war nackt. Die Flammen waren bis auf die Knochen vorgedrungen, wie bei einem Méchoui, frisch vom Spieß. François konzentrierte sich auf die Wunden, die von der Stichwaffe stammten. Die Schnittwunden wirkten oberflächlich. An den Gliedmaßen öffneten sie volle Lippen, legten geschwärztes Fleisch bloß. Am Thorax gab es eine ganze Reihe kleiner Einstiche, dort, wo man die Waffe tief hineingestoßen hatte. Es war sinnlos, die Stiche zu zählen, der Kommissar wusste bereits, wie viele es waren. Sechsunddreißig. Das Ganze dürfte über eine Minute gedauert haben. Wie krank musste man sein, um so oft auf sein Opfer einstechen zu können?
    Plötzlich fiel François etwas auf.
    »Haben Sie die Abstände gemessen?«
    Meurteau antwortete trocken:
    »Anderthalb Zentimeter. Das hatte ich Ihnen aber schon gesagt, glaube ich …«
    »Ich meine den Abstand zwischen den Wunden.«
    Blättergeraschel. Fieberhafte Suche.
    »Nein .. Worauf es ankommt, ist …«
    »Haben Sie ein Lineal?«
    »Ich wüsste nicht, was Sie damit anfangen könnten.«
    »Geben Sie mir bitte ein Lineal.«
    Die Rechtmedizinerin sah verärgert aus. Sie ging zu einem Inox-Schrank. Kellermann stand dabei, mischte sich aber nicht ein.
    Sie kramte ein bisschen herum, bevor sie mit einem Schneidermaßband und einem Paar Latexhandschuhen zurückkam.
    »Ziehen Sie die bitte an.«
    François bedankte sich mit einem Lächeln und machte sich an die Arbeit. Seltsames Gefühl beim Anfassen der offenen Wunden. Sie waren weich und hart zugleich wie ein Stück Grillfleisch. Sehr schnell bestätigte sich seine Vermutung.
    »Es gibt da eine Symmetrie.«
    Kellermann wurde aus der Reserve gelockt.
    »Das heißt?«
    »Die Wunden sind gruppenweise

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